Heft 
(1878) 27
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finden. Man konnte nicht sagen, daß sein Fonds schlecht war, aber was kaum besser ist er schien gar nicht vorhanden zn sein. Dagegen stieß Ursel auf Fehler, die ihr bisher gänz­lich entgangen oder doch wenigstens in einem viel milderen Lichte erschienen waren. Es lag ein Zug in seinem Charakter, den man, wenn man sehr gutmüthig war, als ein starkes An- erkeunungsbedürfniß deuten konnte, der aber ebenso gut mit den Worten: ruhmredig, eitel und prahlerisch bezeichnet wurde.

Dabei suchte er seine Lorbeeren aus falschen Wegen. Er ließ es sich gefallen, daß man ihn der Lügenhaftigkeit und Auf­schneiderei beschuldigte, wenn er nur die Lacher auf seiner Seite hatte. So bildete er sich nach und nach zum Possenreißer und Spaßmacher eines ganzen Kreises, und es ist nicht zu sagen, wie sehr darunter seine persönliche Würde litt. Ueberhaupt er­wies sich sein Streben zu glänzen mit einem ziemlichen Mangel an Selbstachtung sehr vereinbar. Sein Geschmack an den Freu­den der Geselligkeit war im Lager verdorben worden, und er fand sich eigentlich am wohlsten in der Gesellschaft herunter­gekommener Sausbrüder und zweideutiger Kumpane.

Daß seine Ehe irgend welche Aenderungen in seinen an­genommenen Gewohnheiten einsühren solle, davon schien er keine Ahnung zu haben. Er ging nach wie vor in die Wirthshäuser und verbrachte den Rest seiner Zeit müßig oder in tändelnder Beschäftigung. Ursel neckte er ob ihres Fleißes und nannte sie, wenn sie sich weigerte, ihm die Zeit todtschlagen zu helfen, in seiner schwäbischen Mundart eineRuach".

Sie schwieg anfangs zu dem allem und ging innerlich mit sich zn Rathe, wie man dem Uebel steuern und Sixt wieder zu einer geordneteren Lebensführung heranziehen könne. Es lag nahe, zu der Arbeit, als dem bewährtesten Regenerations­mittel moralisch zerfahrener Existenzen, seine Zuflucht zu nehmen.

Die Waffenschmiede zu dendreigekrvnten Schwertern" stand seit langer Zeit leer, und kein Feuer brannte mehr in der Esse, seit Ursels Vater das Zeitliche gesegnet. Sie trieb ihren kleinen Handel nur noch mit den spärlichen Resten seines Fleißes und den Produkten anderer fort. Angesichts dessen schlug sie dem Gatten vor, das Handwerk wieder auf­zunehmen.

Sixt bemächtigte sich dieser Idee mit dem rhm eigenthüm- lichen Optimismus, machte Pläne über Pläne und baute ein Lustschloß aus den Trümmern des andern. War er doch, bevor er unter die Landsknechte gegangen, ein gelenkter Waffenschmied gewesen, und das Meisterstück, das er seiner Zeit gefertigt, hatte die ungetheilte Bewunderung aller Kenner hervorgerusen. Die ihm schmeicheln wollten, sprachen noch heute davon und rühmten seine Vorzüge. Es war ein Degen, den man biegen und drehen konnte wie eine Reitgerte und der wie Wielands Schwert Wolle im fließenden Wasser zerschnitt. Daraus war mittelst einer da­mals beliebten Kunst eine Allegorie des Sieges, der den Tod überwindet, eingeätzt, gar lieblich anznschauen und besonders der Todsehr natürlich". Ein schwedischer Obrist hatte das Kunst­werk erworben, und sein Ertrag hatte den Kapitalstock ver­mehren helfen, mit dem Ursels Vater sein Geschäft empor­gebracht.

In Rückerinnerung so schöner Erfolge sah sich Sixt in der Werkstätte und im Laden um, und erklärte als Resultat seines Augenscheins, der Anfang müsse damit gemacht werden, daß man mit dem alten Gerümpel vollständig aufräume und einen neuen Stil einsühre. Er gab an, ausgezeichnete neue Manieren zu kennen und Quellen, woher man Waare und Material am vortheilhastesten beziehen könne.

Ursel hörte kopfschüttelnd auf seine Auseinandersetzungen. Ihrem konservativen Sinn waren die Grundsätze, die er auf­stellte, ein Greuel und sie sprach davon, wie ihr Vater sich im Grabe umdrehen würde, wenn er es hören müßte.

Damals kam es zum ersten Male zu unliebsamen Er­örterungen über Herkunft von Mein und Dein zwischen den beiden Ehegatten, und das erste böse Wort in dieser Richtung sollte alsbald zu einer Lawine anwachsen, die ihr Glück unter ihrer Wucht begrub.

Sixt setzte seinen Willen durch; das Material, dessen er zu bedürfen glaubte, wurde um theures Geld herbeigeschafft,

aber unwirsch, ohne Freudigkeit und bereits innerlich lahm ge­legt, machte er sich an die Arbeit, die ihm anfangs in so reiz­vollem Lichte erschienen und nun durch Ursels Widerspruch ver­gällt worden war. Er arbeitete halb in verbissenem Grimme darauf los und lieferte einige sehr gut ansgeführte Stücke im neuen Geschmacke und in der neuen Weise. Bald prangten sie am Schaufenster; aber niemand wollte sie kaufen.

Ursel trinmphirte und, was noch schlimmer war, sie zeigte diesen Triumph, indem sie Sixt bei Heller und Pfennig vor­rechnete, was bei der Sache verloren wurde, und wie leicht dies alles zu vermeiden und vorauszusehen gewesen. Wo ihr Vater hingekommeu wäre, wenn er so gewirthschaftet Hütte, und ob sie ihm einen so stattlichen Wohlstand hätte zubringen können, wenn er nicht besser mit seinem Talente gewuchert?

Auf diese Weise mißlang der erste Versuch, Sixt zur Arbeit heranznziehen, denn Ursel hatte nicht verstanden, die zarten Keime einer beginnenden Besserung zu pflegen und zu achten.

Sixt legte die Werkzeuge seines Handwerks wiederum nieder, und das Feuer der Esse erlosch. Die anbrechende Friedenszeit sei dem Aufschwünge des Wasfenhandwerks nicht günstig, äußerte er und verbarg hinter diesem Axiom den Stachel, welchen der erste Mißerfolg auf dem neuen Wege in seiner Seele znrückgelassen hatte.

Es galt nun, aus etwas anderes zn sinnen. Ursels Vater hatte außer der Waffenschmiede auch eine kleine Oekonomie be­sessen. Einige Aecker und Wiesen im städtischen Gebiete, die, seit der Krieg in der unmittelbaren Umgebung der Stadt ge- wüthet, unbebaut und verödet lagen. An diese sich zu machen, erklärte Sixt nun den Zeitpunkt gekommen. Ursel sagte nicht direkt: nein, obwohl sie mehr für den Verkauf dieser Gründe gewesen wäre; aber sie gestand offen, es schwane ihr nichts Gutes, wenn sic von einem neuen Projekt ihres Mannes höre.

In der That fand Sixt nach kurzer Zeit, die Güter seien ohne Pferde nicht rationell zn bewirthschasten. Pferde aber waren damals eine theure Sache. Der Krieg hatte die Mehr­zahl der vorhandenen in Anspruch genommen und der neue Nachwuchs kam noch kaum in Betracht. Es war um die Zeit, da der Bauer sich selbst an den Pflug spannte, und auch der Städter durfte nicht an solchen Luxus denken. Allein Sixt bc- theuerte, daß sich ihm eine ausgezeichnete Kaussgelegenhcit dar­biete, die nnbenützt vorübergehen zn lassen wirklich unverant­wortlich wäre. Ein Jude behauptete, eiu ausrangirtes Parade- pserd des schwedischen Königs selbst zu besitzen und es unter ganz ausnahmsweise günstigen Bedingungen ablassen zn können. Es hatte den poetischen NamenTroja", wurde aber in Hin­sicht seines erklecklichen Umfangs spottweise schlechtwegdas Trojanische" genannt.

Dem alten Landsknecht schwoll der Kamm, als es ihm seine Kapriolen vormachte, schon sah er sich darauf durch die Hcrren- gasse sprengen und er beschloß in seinem Herzen, daß cs sein werden müsse, koste es, was es wolle.

Ursel ließ ihn anfangs abwarteud gewähren. Dann, als die Kaufpräliminarien schon ziemlich weit gediehen waren, legte sie sich ins Mittel und erklärte, daß sie auch ein Wort mit- znreden habe. Dieses Wort aber war ein ganz entschiedenes Nein mit Entscheidungsgründen der kränkendsten Art.

Sie stritten sich eine Weile in augeärgertem Tone in Gegenwart des Juden, und als Ursel nicht zu bewegen war, ihm zn diesem Zwecke Baargeld auszuhändigen, kaufte Sixt dasTrojanische" ans Pump, um ihr zu zeigen, wer Herr im Hause sei.

Zum Ackerbau wurde es freilich nur wenig benützt, und da sich Sixt doch vor den arbeitenden Nachbaren schämte, spa­zieren zn reiten, stand es die meiste Zeit mber^unbenützt in dem neuerbauten Stalle.

Auf diese Weise verging Sixt auch sein kaum erwachter Geschmack an der Landwirthschaft schnell. Er setzte sich wieder auf die Ofenbank undblies Trübsal". Nun neckte er Ursel nicht mehr, wenn sie am Spinnrad saß; aber er fing an, sich in seinem Hause zu langweilen. Damals hörte man ihn häufig Gedanken der Reue anssprechen, seine Freiheit so leichten Kaufes ausgegeben zu haben, und von der goldenen Zeit schwärmen, da