430
die Erde sein Bett, der Himmel seine Decke, der Mantel sein Hans gewesen, und er schien nicht mehr zn wissen, in welch warmes Nest er sich festgesetzt.
Im übrigen suchte er seine Zerstreuungen auswärts , und je drückender ihm sein Haus erschien, um so besser unterhielt er sich als Mitglied der Schützengilde, und wo es eine Jagd gab, war er auch dabei. Da man ihn allgemein für sehr wohlhabend hielt, wurden die größten Ansprüche an seinen Geldbeutel gemacht, und er that alles, was in seinen Kräften stand, diese günstige Meinung über seine Verhältnisse aufrecht zu erhalten. Ursel sah mit Schrecken, wie die blanken Thaler in seinen Händen ordentlich Flügel bekamen. Sie suchte im Kleinen zn sparen, was er im Großen hinauswarf. Dies ließ ihm sein Haus und ihre Person noch unleidlicher erscheinen. Vorstellungen aber machten schon darum keinen Eindruck ans ihn, weil er nicht daran glaubte, und wenn Ursel ihm den Schlüssel zur Kasse verweigerte, ließ er einfach ankreiden.
So kam es, daß die Mittel auszugehen anfingen. Als der Zahlungstermin vorüber war und der Jude kam, den Kausschilling für das trojanische Noß einzuziehen, war dieser Betrag faktisch nicht mehr in Kassa. Sixt hielt es für einen schlechten Scherz Ursels und verschrieb dem Inden eine größere Summe, indem er ihn auf eine bessere Laune seines Weibes vertröstete. Diese bessere Laune aber ließ vergebens aus sich warten, ja die schlechte schien sogar schließlich auch Sixt anzustecken, als nach und nach die Gewißheit in ihm ausdämmerte, daß Ursel in der That die Wahrheit gesprochen habe.
Eine Möglichkeit freilich gab es doch, den Posten zn decken, wenn Ursel nur darauf eingehen wollte. Die eingchandelten Werthgegenstände ihres Vaters lagen noch unberührt und unangebrochen an ihrem alten Platze. Es war ein ziemlich großer Sack voll werthvoller, goldgestickter Gewandstücke und Schmucksachen, und in seiner Mitte ruhte, wie das Herz im Leibe, ein kleines Säckchen voll blanker Thaler. Ursel hatte Sixt all diese Herrlichkeiten nur ein einziges Mal gezeigt und seitdem, gleich als empfände sie Reue darüber, ein unverbrüchliches Stillschweigen beobachtet. Es war am ersten Morgen nach ihrer Verheiratung gewesen, da sie ihn glückstrahlend durch Haus und Hof geführt, wie um ihm zu zeigen, was nun alles gemeinsam geworden sei. Eine schwere Truhe hatte hinweg gerückt werden müssen, dahinter kam in einem verborgenen Wand- ! schrank der Sack zum Vorschein. Sixt hatte ihm und seinen:
j blinkenden Inhalt nur wenig Beachtung geschenkt, denn ein Be-
! sitz, dessen unmittelbaren Nutzen er nicht einsah, vermochte ihn niemals zu reizen. Jetzt erinnerte er sich seiner als eines willkommenen Auswegs. Es bedurfte wohl einiger Ueberwindung und Vorbereitung, Ursel davon zu sprechen. Er war eine Zeit ^ lang ganz zärtlich gegen sie, und als sie arglos auf diesen schon halb verlernten Ton einging, rückte er, nachdem er sich eine Weile lang fast heiser geräuspert hatte, mit seinem Anliegen heraus, ahnungslos, welchen Sturm er damit errege.
Ursel wurde ganz blaß vor Schrecken und frug ihn, ob er denn von Sinnen sei? Dies gab ihm den falschen Muth der ! Opposition, und er entgegnete, daß er nicht Lust habe, sich be-
^ Vormunden zu lassen wie ein Kind. Aber auch Ursel kam immer
mehr und mehr in Harnisch. Von ihrem Vater sei alles hergekommen, klagte sie, mehr als das Sechsfache denn ihm gebühre, habe Sixt in Anspruch genommen; nun aber sei es genug. Die Schatzgelder und Kleinodien im Sack seien der eigentliche und alleinige Besitz ihres Vaters gewesen und daran dürfe ihr keine Hand rühren; sie lasse nicht davon und wenn ^ sie seine Seele damit ans den Klauen des Satans loskanfen könne I ! Dies war ein bitteres Wort, und noch bitterere folgten.
Wo dieses Geld herrühre, und wer mehr Anspruch darauf habe,
der es zuerst herbeigeschafft, oder der es vermehrt habe, dies bildete ein Thema von unendlicher Variirbarkeit, bei dessen er
gründender Behandlung insbesondere nichts leichter war, als sich gegenseitig gewisse Schmeicheleien über angeborene Eigenschaften, hie Leichtsinn im Blute, hie schneidende Zungenfertigkeit ohne Herz an den Kopf zu werfen. Es fielen einige jener Worte, die wie vergiftete Pfeile wirken und Wunden schlagen, die nur schwer und langsam heilen. Endlich endete der Streit, indem beide erklärten, sie haßten sich vom Grund der Seele, und den Tag und die Stunde verfluchten, da ein böses Schicksal sie aneinander gefesselt. Dann versanken sie in ein trotziges Schweigen und redeten tagelang kein Wort mit einander.
Der Jude verlangte unterdessen seinen Kausschilling dringender. Sixt hoffte trotz des Vorgefallenen, daß Ursel es nicht bis znm äußersten kommen lassen werde und schlug ihr höhnisch die Wette vor, „daß sie noch in der letzten Stunde die Auspfändung verhüten werde; er wisse wohl, nicht aus Rücksicht auf ihn, aber aus Eitelkeit und aus Rücksicht auf die Welt."
Sie entgegnete, „er möge sich das ja nicht einbilden," und schwur ihm bei allen Eiden, daß sie bei ihrem Standpunkt beharren werde, wogegen er ihr damit drohte, dem Gerichte das verborgene hauptsächliche Psändungsobjekt zu offenbaren, das sie der Masse in widerrechtlicher Weise, da sie in Gütergemeinschaft lebten, vorenthalten wollte.
Mit höhnischer Bereitwilligkeit räumte sie ein, daß sie ihn dessen wohl für fähig halte, da er ja ein Mensch sei, dem nichts heilig und den sie nur verachten könne.
Glücklicher Weise gedieh die Sache nicht zn ihrem Gipfelpunkt. Der Jude mochte eingesehen haben, daß hier in der That nicht mehr viel zu holen sei, und erklärte sich bereit, sich wieder mit seiner Waare bezahlen zu lassen. So wurde eines Morgens das Trojanische aus Sixts Stall geholt.
Das Gespvtte der Leute darüber wollte gar kein Ende nehmen. Die einen sagten, das Trojanische sei im Stalle Sixts wohl nur gemästet worden und würde nun zur Schlachtbank geführt, die anderen setzten hinzu, die Dornbusch hätten so vornehm auch nicht z:5 thun brauchen, da ja doch alles nur eitel Schein und Hofsahrt gewesen. Die Vorstellungen von Ursels Reichthum fielen im Nu von übertriebener Höhe zn übertriebener Tiefe herab, und es gab wenige, die sich nicht veranlaßt fühlten, dieser Aenderung einen entsprechenden Ausdruck zn leihen. Am tiefsten verletzte es Sixt, wenn man ihm vorwarf, daß er prahlerisch über die Mittel Ursels gelebt habe. Er entgegnete, „seines Weibes Mittel seien auch die seinen, denn beide hätten ja ein und denselben Ursprung: seines Vaters Anwesen." Aber seine Behauptungen fanden keinen Glauben. „Alles rühre von Ursel her," meinten die Leute, „das müsse wahr sein, denn sie habe es ja selbst gesagt."
So hatte sie also über ihre internen Streitigkeiten nicht einmal den Schleier gelassen und dem Bedürsniß nicht widerstehen können, für die herrschende Stellung, die sie in der Ehe beanspruchte, auch außerhalb der Familie Partei zu werben!
Sixt schüttelte wie verstört den Kops dazu. Immer dumpfer stieg der Widerwille gegen sie in seinem Herzen ans, wie schwarzer Rauch von einem verborgenen Feuer des Hasses. Die Neckereien im Wirthshans führten schließlich sogar zu einer Rauferei, aus der Sixt zwar als Sieger hervorging, aber lange nachher noch war es ihm, als ob im Tone aller gegen ihn ein leiser Anflug von Spott läge, dem er nichts anhaben könne.
Seit dieser Zeit sank er immer tiefer und tiefer. Mau sah ihn sogar manchmal betrunken, und auch in seiner äußeren Erscheinung drückte sich allmählich der Stempel leisen Verfalls ans. Ursel hatte ihn einige Male spät nach Mitternacht unter Schimpfen und Schelten ans dem Wirthshause heimgeholt, und die Stichelreden, die ihm auch dies eintrug, hatten den Erfolg, daß er seitdem wie znm Trotz noch länger sitzen blieb und immer einer der letzten war, die schwerbeladen nach Hause wankten. (Schluß folgt.)
Kine wohlriechende Industrie.
Nachdruck verboten. Eej. v. it. VI. 70.
Von Dr. Schloemrlch.
Wer sein Kleid oder sein Taschentuch parfümirt, ahnt und dem Handel dienstbar zn machen. In der That, die Wohlwohl nur selten, wie viele Hände thätig sein mußten, ehe es gerüche sind zart und einem plumpen Zufassen durchaus ab
gelang, den zarten Blumenduft zu binden und der Industrie hold. Herrlich duftet ein Veilchensträußchen, wenn man seinen