431
Genuß im Vorüberstreisen ausnahm, wie sehr enttäuscht wird aber, wer seine Nase so recht mit dem Wohlgeruche sättigen möchte, denn er riecht nur Blätter und Stengel. Wenn wir hier noch leicht den Säst des Dustes als in der Blüte befindlich erkennen können, so ist das doch in manchen Fällen nicht möglich. Von einem blühenden Wickenselde führt uns der Lufthauch oft einen feinen Wohlgeruch entgegen, aber vergeblich ist das Bemühen, durch die Nase feine nähere Quelle zu finden. Er kommt ohne Zweifel ans der Blüte; aber der Duft, deu eiue einzige entwickelt, ist so gering, daß in deren Nähe andere Gerüche vorherrschen, und erst in einiger Entfernung der durch unzählige Blumen verstärkte Wohlgeruch für uns wahrnehmbar wird. Für unsere praktischen Zwecke find nun glücklicherweise die meisten Wohlgerüche nicht so difficiler Natur, es gibt sogar deren, welche recht beständig sind und auch in solcher Menge aus den Pflanzen gewonnen werden, daß der Parfümeur durch einen reichlichen Zusatz davon einen üblen Geruch verdecken kann, der dem unparfümirten Toilettenartikel anhaftet, wie dies z. B. bei den überall gekannten Kokosseifen der Fall ist.
Wir wollen hier jedoch nicht davon sprechen, wie man diese beständigen Riechstoffe, die sogenannten „ätherischen Oele" gewinnt, wir wollen vielmehr uns von einem Parfümeur von den feineren Wohlgerüchen erzählen lassen, woher sie kommen und wie man sie gewinnt. Im Süden Frankreichs, an den gesegneten Küstenstrichen des mittelländischen Meeres, wo Jahraus Jahr ein ein mildes schönes Klima der Vegetation die günstigsten Verhältnisse gewährt, wo der Hauch des Windes schon den Wohlgernch wildwachsender Blumen mit sich führt, mußte sich der Sinn des Menschen auf Hebung dieser Schätze richten und versprach die Arbeit guten Lohn, die flüchtigen Blumengeister zu sangen, um auch nördliche Länder mit ihnen zu versorgen. So bant man in den Gegenden von Nizza, Grasse, Cannes kein Getreide, zieht keinen Wein, sondern kultivirt hektarenweise Rosen, Veilchen und Jasmin. Das ganze Jahr hindurch werden die Hände gerührt, den köstlichen Duft zu gewinnen, der zur Zeit der Blütenernte die Lust betäubend erfüllt. Schon im März beginnt die Ernte, und zwar mit Veilchen und Jonqnille; im Mai und Juni kommen Rosen, Orangeblüten- und Blätter und Eisenkraut an die Reihe, im Juli folgen Resede, Rosmarin, dann Melisse, Jasmin, Lavendel, Geranium, bis endlich im Oktober und November mit der Akazie die Arbeit des Einbringens ihr Ende erreicht. Beim Sammeln ist mancherlei zu beobachten. So entwickeln manche Blütensorten ihr Parfüm zu verschiedenen Zeiten in wechselnder Stärke; Rosen müssen morgens, Nelken bei Sonnenschein, Jasminblüten vor Sonnenaufgang gebrochen werden. Die Blüten müssen auch möglichst frisch zur Verarbeitung gelangen, ein Umstand, den der Fabrikant bei seinen Dispositionen wohl berücksichtigen muß. Bemerkenswerth ist, daß die einzelnen Gegenden dort Spezialitäten besitzen, so Nizza die Veilchen, welche bei Grasse nicht recht gedeihen wollen, während da wieder die Rosenkultur und bei Cannes die der Akazie (französisch Oassie) am erfolgreichsten betrieben wird. Die Quantitäten an Blüten, welche dort erzeugt werden, sind ganz enorme. Grasse, Cannes und die umliegenden Dörfer erzeugen jährlich etwa 40,000 Kilo Rosen-, 50,000 Kilo Jasmin- und 400,000 Kilo (!) Orangeblüten; dazu kommt noch Cannes mit etwa 17,000 Kilo Cassie- und Nizza mit etwa 25,000 Kilo Veil- chenblüten! Fürwahr hinreichendes Material, um sämmtliche Salons der Welt und deren Bevölkerung in guten Geruch zu bringen und zu erhalten!
Zur Fixirung dieses Blnmenduftes nun werden zwei Methoden in Anwendung gebracht. Die erste ist die sogenannte Maeeration. Man schmilzt dabei bestgereinigtes und von allen Eiweißtheilen befreites Fett im Wasserbade, gibt im bestimmten Verhältniß Blüten zu und rührt längere Zeit langsam um; dabei geht der Wohlgeruch an das Fett über. Durch wiederholtes Abseifen der extrahirten Blüten und Zugeben frischer läßt sich eine ziemlich starke Parfümirung dieser sogenannten Blütenpomaden erreichen. Die andere Methode ist ein Absorptionsverfahren, die sogenannte Enfleurage; man wendet sie bei Veilchen, Rosen, Jasmin und Tuberose, also zur Fixi
rung der. feinsten Gerüche an. Man überzieht dabei Glas- taseln, welche in hölzerne Rahmen eingesügt sind, mit einer- dünnen Schicht bestgereinigten Fettes und streut dann Blüten auf. Die Tafeln schichtet man in passenden Gestellen übereinander und läßt sie einige Zeit — bis zu drei Tagen — stehen. Dabei absorbirt die Pomade ebenfalls den Wohlgernch und läßt sich auch hier derselbe durch wiederholte Zugabe frischer Blüten konzentriren. Bei beiden Methoden läßt sich statt der Pomade auch Olivenöl anwenden. Gewöhnlich werden diese Blütenpomaden und -Oele in zwei Stärken dargestellt, die schwächeren finden Verwendung für das Kopfhaar, die besseren, von denen das Kilo mit 12—14 Fres., in Veilchengernch sogar mit 20 Fres. und darüber bezahlt wird, dienen zur Extrait- fabrikation. Welchen Werth schon diese parfümirten Pomaden repräsentiren, läßt sich nach der Angabe veranschlagen, daß Grasse und Cannes allein etwa 150,000 Kilo jährlich Pro- duziren! Und doch ist das nur ein Theil des ungeheuren Ertrags, den jenes bevorzugte Land seinen Bewohnern s^benkt; denn auch die Quantitäten parfümirter Wässer und feiner ätherischer Oele, welche dort gewonnen werden, sind außerordentlich groß. An Orangeblütenwasser allein werden jährlich etwa 500,000 Kilo dargestellt; Grasse und Cannes allein liefern ferner etwa 4000 Kilo Lavendelöl, 450 Kilo Petitgrainöl und 250 Kilo des feinen Orangeblütenöls (nerolz- bi^ai-racke), der Quantitäten von Geranium-, Thymianöl u. a. gar nicht zu gedenken ! Die Blüte des Orangenbaumes ist neben der Rose von den hier in Rede stehenden die einzige, aus welcher sich der Riechstoff in Form eines ätherischen Oeles gewinnen läßt, das freilich theuer genug zu stehen kommt, denn 1000 K. Blüten geben erst etwa 800 Gramm desselben!
Zur Bereitung von Extraits, der für uns zweckmäßigsten Form der Wohlgerüche, wird nun bei gewöhnlicher Temperatur- feiner Alkohol mit jener stark parfümirten Blütenpomade in bestimmtem Verhältniß zusammengerührt.
Dabei geht der Blumenduft wieder allmählich an den Alkohol über, und es läßt sich durch wiederholtes Ausziehen die Pomade völlig geruchlos machen. Zwar löst sich im Alkohol auch eine kleine Menge Fett mit auf, welche mit der Zeit sowohl der Feinheit wie auch der Haltbarkeit des Extraits schaden würde, doch ist jene dadurch leicht zu entfernen, daß man das Extrait stark abkühlt, wodurch sich das Fett in Flocken ausscheidet. Für sich allein sind nun diese alkoholischen Auszüge aus der Rosen-, Veilchen-, Jasminpomade re. zum Gebrauch noch nicht geeignet, da ihr Wohlgernch sich mit dem Alkohol noch zu leicht verflüchtigt. Um ihn nachhaltiger zu machen, setzt man etwas in Alkohol gelöstes wohlriechendes Harz, sogenannte Tinktur, ferner aber auch geringe Mengen von feinsten ätherischen Oelen zu. Je älter nun diese Mischung wird, um so inniger vermischen sich die Zusätze, und um so charakteristischer entwickelt sich dann das Parfüm. Es ist dann selbst für geübte Nasen schwer, jene herauszufinden, während man bei einem erst komponirten Extrait sie gleichsam neben- oder nacheinander riecht. Die Qualitäten und Quantitäten der verschiedenen Bestandtheile gestatten nun unzählige Variationen. Die Kunst des Parfümeurs besteht darin, charakteristische Mischungen herausznprobiren. Manche der Extraits, namentlich die sogenannten Bouquets, genießen einer allgemeinen Beliebtheit, wie Jockey-Club, Millefleurs, Springflowers; ebenso das englische Eßbouquet, das von sehr feinem eigenartigen Geruch ist. Wie überall, will auch hier das Publikum von Zeit zu Zeit etwas Neues, und willig sucht man durch neue Kompositionen diesem Bedürfniß abzuhelfen. Die wenigsten davon bieten jedoch etwas Charakteristisches, und dann soll der Name das Fehlende ersetzen; man denke an Liss-ms-gnieb, Lrorr-tron, Lense?-a-moi re.
Von allen Taschentnchparfümen behauptet jedoch das Lxtra.it, g-rix violettes cke Lärms unverrückt den ersten Rang. Die Beliebtheit dieses Wohlgeruches ist geradezu historisch, denn Beilchenduft wurde schon bei den alten Griechen besonders geschätzt. Jene Etiquette ist zwar durchweg eine kleine Mystifikation, welche inan sich aber schon gefallen lassen kann, denn die verwendeten Veilchen sind, wenn auch nicht in Parma, so