Heft 
(1990) 49
Seite
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Andeutungen in diesem scheinbar so alltagsbezogenen Werk Fontanes, so z. B. die Spannungsstruktur zwischen Kanal- und Flußmotivik (S. 8485, 9799), wobei es dem Verfasser sehr gut gelingt, die Verbindung zwischen sozialhisto­rischen Fakten (z. B. Kanalisierung und Verstädterung Berlins) und künstle­rischen Techniken aufzuzeigen. Als ähnlich aufschlußreich erweisen sich Bance' Erläuterungen zur Gestalt Bothos, der letztlich zurQuadratur des Kreises" findet, indem er seinerprosaischen" Entscheidung zur Heirat mit Käthe Poetisches" abgewinnt durch einen pseudo-heroischen Appell an seine Adels­pflicht und Sentimentalisierung volkstümlicher Vorstellungen von Ordnung und Ehe (S. 9495). Übrigens korrigiert Bance dadurch sehr richtig Demetz' Kritik an der idealisierten Darstellung der Mittagspause der Fabrikarbeiter; denn er stellt klar, daß diese Romantisierung der Perspektive Bothos ent­springt und nicht Fontane zuzuschreiben ist (S. 95).

Die ebenfalls sehr einsichtigen Ausführungen zu Lene tendieren, ähnlich wie die zu Effi, wiederum leicht zu einer zu starken Trennung vonpoetisch­natürlichen" undgesellschaftlich-prosaischen" Aspekten. Wenn es auch zutrifft, daß Lene "does not seek the poetic," sondern "she is poetic in herseif" (S. 95), ist dieses Element jedoch nicht unabhängig von ihrer sozialen Stellung her zu verstehen. Der Leser soll sich auch der Schranken bewußt werden, die Lene noch gesetzt sind, und so dazu herausgefordert werden, eine eigene Utopie­vorstellung zu entwickeln. Lene "must forge [her] own salvation" (S. 99), wo­bei individuelle [Entscheidungs-] Freiheit" oder Unabhängigkeit zweifellos einen wesentlichen Wert für sie darstellt (S. 102). Doch übersieht Bance anscheinend den Widerspruch, der darin liegt, einerseits von "[fjreedom, repre- sented at its highest, most poetic level by Lene" zu sprechen, andererseits aber "the dignity of a free choice of his bride" nur Gideon (und den Dörrs), nicht Lene, zuzuschreiben. Ähnlich zitiert der Verfasser zustimmend McHaffie, daß " 'the victory of circumstances is registered quietly and without fuss'" (S. 102), ohne darauf hinzuweisen, daß dasAufheben" ("fuss") wohl von Fontane für den Leser intendiert ist.

Doch sollen solche Anmerkungen keineswegs zu einer Unterschätzung dieses Buches führen. Die zwei gewählten Beispiele sollen dazu dienen, die Ver­fahrensweise des Verfassers zu veranschaulichen d. h.Poesie" undProsa" in Form und Gehalt von Fontanes "major novels" im einzelnen aufzusuchen und ihre fortschreitende Integrierung zu verfolgen, um zum Lesen aller sechs Werkanalysen Bance' anzuregen. Besonders beachtenswert erscheinen in Bance' Analysen noch die häufigen Bezüge auf die bildende Kunst, insbesondere die Malerei, so z. B. auf Maltechniken Turners und der Impressionisten (S. 186 bis 188), die ihre literarische Entsprechung finden in sprachlichen Mitteln Fontanes. So heißt es in bezug auf Der Stechlin: "Like the Impressionists, Fon­tane here finds the interest and meaning of life in the depiction of an appa- rently unremarkable surface; and also like them, his novel brings about a conversion of quantity into quality" (S. 188). Allerdings führt Bance diesen Gedankengang nicht immer konsequent durch. So klingt meines Erachtens der Ausdruck "(t]he poeticizing of prosaic matter" (S. 8), mit dem Bance schon im Vorwort auf diese Technik der Impressionisten und Post-Impressionisten hinweist, nicht unmißverständlich (s. o.); denn Fontane, wie Bance an anderer Stelle selbst klarstellt, wird "truly lyrical," wenn er "the poetry of the pro-

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