Heft 
(1878) 30
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473
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Ein deutsches Fnuiilienblntt mit Illustrationen.

Erscheint wöchentlich nnd ist dnrch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 2 Mark zu beziehen.

Kann im Wege des Buchhandels auch in Heften bezogen werden.

XIV. Jahrgang. AlNiWrlm, lim 27 . AM 1878 . Der

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1877 >>« ich, 1878, 1878. 717 30.

Am Wayn.

Novelle aus dem Seeleben von üenchard Wagener.

Nachdruck verboten, Ges, v, 11,/IV, 70,

I.

Es ist schon einige Zeit her, daß unsere Kriegsmarine mit der Vermessung der Ostseeküsten begonnen hat. Früh im Jahre wurde ein Kanonenboot in Dienst gestellt und gleich­zeitig ein Detachement ansgcwählt, welches die nöthigen Arbeiten am Lande vorzunehmen hatte. Die Frage, welcher dieser beiden Beschäftigungen der Vorzug zu geben sei, würde eine peinliche Ungewißheit verursachen: die Sache ist ohne Zweifel an beiden Stellen gleich anstrengend und gleich langweilig. Mir wurde vor etlichen Jahren keine Wahl gelassen, ich wurde kvmmandirt als Führer des Detachements für die Landvermesfungen.

Wir beschäftigten uns viele Wochen hindurch mit Nivelliren, Trianguliren, Skizziren nnd Rechnen; wir durchwanderten eine Reihe der ödesten Stranddörfer, ernährten uns von Fischen, Brot und Eiern, wozu sich nur gelegentlich ein Schinken ver­irrte, und schwitzten jämmerlich im Sonnenbrände.

Es war mitten im Juli, als wir eines Sonnabends abends in der Sonne den Hahn einer Dorfkirche blinken sahen; nach meiner Karte hieß der Ort Fischingen und war durch einen angenehmen kleinen Hasen ausgezeichnet, in welchem wir mit unserem Kanonenboote Rendezvous verabredet hatten; der folgende Sonntag sollte gleichzeitig ein Ruhetag werden,

Angesichts dieser verlockenden Aussicht arbeiteten wir mit doppelter Schnelligkeit, markirten unseren letzten Dreieckspunkt unmittelbar auf dem Hahne des Kirchendaches, trugen die Distanzen in unsere Register ein nnd machten bei hereinbrechender Dunkelheit dem würdigen Ortsoberhaupte unseren Besuch, um Quartier zu nehmen. Da der alte Herr nicht darüber anfzu- klären war, welche außerordentliche Veranlassung einen Trupp Seeleute an seinen Strand verschlagen hatte, so begnügten wir uns mit dem Erfolge, eine Anzahl Quartierzettel von frag­würdiger Orthographie ausgehändigt zu bekommen. Da ich die Wohnung bei dem Ortsgeistlichen abgelehnt hatte, wurde ich dem Müller zugewiesen und machte mich ohne Besinnen mit meinem Burschen ans den Weg.

Quartier beim Müller ist mit dem Vorzüge verbunden,

XIV, Jahrgang, 30, ack.

nicht suchen und nicht fragen zu müssen; ich hatte außerdem vorher einen Augenblick zwischen Kirchenhahn und dem Scheitel der Mühle als Endpunkt meines letzten Dreiecks geschwankt: ich konnte nicht fehlgehen. Die Mühle lag im Rücken des Dorfes auf der zweiten höheren Dünenkette; in holländischer Art ge­baut schien sie früher der Familie Wohnung geboten zu haben, bis Kornpreise nnd Müllerpraktiken soviel zusammengeschafft hatten, daß das neue massive Hans gebaut werden konnte.

Der Besitzer mußte ein Mann sein, der von der Welt etwas gesehen hatte; die großen Fenster des Hauses waren geradezu epochemachend für den Ort, während man bisher ge­glaubt hatte, daß einer Wohnung nichts schädlicher sein könnte, als das Eindringen von Luft und Licht, Und hinter den Müllerfenstern hingen weiße durchbrochene Gardinen, außerdem an jedem Fenster ein Lichtbild, das von außen nach nichts aussah, aber für die Verhältnisse des Dorfes vornehm sein mußte: der Müller war sicher ein steinreicher Mann. Ich fand das Haus äußerlich recht einladend, nnd die jungen Linden vor der Thür, welche für künftige Geschlechter gepflanzt schienen, gaben in der weniger belästigenden Abendsonne immerhin so viel Schatten, um auf den Bänken darunter einen gemüthlichen Platz zu bieten.

Der Müller empfing uns in der Thür, eine gerundete untersetzte Gestalt mit glattem Gesichte und buschigen Brauen, unter denen die Angen etwas streng dreinsahen, völlig in Hell­grau gekleidet bis auf Mütze nnd Schuhe. Ich machte ihm mit wenigen Worten klar, was wir wollten, und da ich ge­schickterweise bemerkte, daß er die Auszeichnung genösse, in meiner Person den Führer des Truppes zu beherbergen, so zog ein Schmunzeln des Stolzes über sein Gesicht, und er lud höflich zum Nähertreten ein.

Zunächst war es eine kleinbürgerliche oder großbäuerliche Wohnstube, wie man will, in die ich genöthigt wurde; der Müller rief einen Namen in das Hans hinein nnd verließ mich mit der Entschuldigung, für mein Unterkommen zu sorgen. Ich trat an das Fenster; das Dorf lag vertieft vor mir, theils in

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