sität, Klarheit, Übersichtlichkeit und Abrundung..." (S/ 227 f.). Hier tritt der vieldeutige Begriff „Verklärung" ins Blickfeld, den Fontane im gleichen Zusammenhang verwendet. Er bezeichnet zunächst nichts anderes als die gestaltgebenden Operationen des Künstlers, die den Stoff, die „Ausschnitte aus dem Leben" organisieren und in ein künstlerisches Medium überführen. Da jedoch „Verklärung" auch eine axiologische Komponente umfaßt — im Wertungsprozeß wird über die Bedeutsamkeit der Darstellungsobjekte wie der Darstellung selbst entschieden — hängt der konkrete Inhalt der mit „Verklärung" bezeichneten Verfahren entscheidend von der Welt- und Kunstanschauung des Autors ab. So sind, bei der früh erkannten Wirkungsmächtigkeit der Gattung (Menzel 1830, Marggraff 1842, Prutz 1845), die Funktionali- sierungsversuche durch die verschiedenen ideologischen Strömungen im 19. Jh. überaus zahlreich. Für die programmatischen Realisten Schmidt und Freytag etfra (mit deren Auffassungen Fontane in wichtigen Fragen des Schreibens durchaus übereinstimmt) steht „Verklärung" im Dienste der liberalen nachrevolutionären Ideologie, läuft sie letztlich auf die Verherrlichung des gesellschaftlichen Status quo hinaus, dem der endliche Sieg der Bourgeoisie immer schon immanent ist. Von daher resultieren Abbildungstabus und Perspektivzwänge. Fontane, für den das Erzeugen von „Gefühlsintensität" oberstes Ziel von „Verklärung" ist, bewahren sein hochentwickeltes, an humanen Werten orientierte Wirklichkeitsverständnis und Kunstempfinden vor erkünstelter Perspektivgestaltung. Sein Streben nach Sinntotalität distanziert das politisch- ideologische Moment seines „Konservatismus" der fünfziger und sechziger Jahre, und angesichts der besten naturalistischen Stücke fallen auch die bei ihn immer nur ästhetisch motivierten Darstellungstabus der Frühzeit. Daß zunächst stets eine produktions- und wirkungsästhetische Kategorie verhandelt wird, wenn „Verklärung" gefordert ist, daß sie nicht von vornherein Verherrlichung meint, belegt auch die Verwendung des Wortes bei Franz Mehring, der in einer Betrachtung über Robert Schweichei jene Dichter lobend hervorhebt, die „in ihren Dichtungen das Leben wie es ist, zwar verklärt, aber doch nicht verzerrt wiedergeben..." (1888: S. 242).
Es ist ein vergebliches Unterfangen, in einer Rezension den Aspektreichtum einer derartigen Sammlung auch nur annähernd ausschöpfen zu wollen. Deshalb seien hier nur einige der von Steinecke dokumentierten Diskussionsschwerpunkte noch aufgezählt: die Bemühungen um die Aufwertung der Gattung (an denen sich die meisten Praktiker nicht beteiligen), der immer wieder ins Feld geführte Zusammenhang zwischen der politischen Rückständigkeit Deutschlands und der (vermeintlichen) Rückständigkeit des deutschen Romans, die damit zusammenhängende umfangreiche Debatte über ausländische Autoren (Scott, Dickens, Balzac, Sue, Zola) und die aus dem Blickwinkel der Fontaneforschung wichtigen Bemerkungen zur Verinnerlichung im Roman bei Vischer, Ludwig und Schopenhauer („Ein Roman wird desto höherer und edlerer Art seyn, je mehr inneres und je weniger äußeres Leben er darstellt;" — Schopenhauer 1851; S. 122).
Anzumerken bleibt, daß eine Textzusammenstellung dieser Art notwendigerweise nicht Vollständigkeit zu erreichen vermag und demzufolge auch Wünsche offen läßt. So ist der Vormärz eindeutig unterrepräsentiert (es fehlt z, B. die wichtige Arbeit Börnes zu Coopers Roman von 1825). Während diese Tatsache
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