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(1878) 30
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Möglichst gefühlvoll aber begann ich sogleich mein:roth oder weiß?"

Doch was geschah? Coquett schleuderte sie ihren duftenden Glacehand­schuh neben das Weinglas auf die Tischdecke, drehte das niedliche Köpfchen gegen mich um, hob trotzig schmollend die Lippen und flötete:

Ei, wenn ich nun grün befehlen möchte."

Dann wäre ich wirklich in Verlegenheit", stammelte ich erbleichend, und in meinem Innern rief eine Stimme:Hilf Himmel, sie ist geistreich." Ich zweifelte keinen Augenblick, daß sie auch Verse machte und daß sie fähig wäre, mir einige Perlen ihrer Lyrik vorzutragen.

Mein Entschluß stand augenblicklich fest, es zu machen, wie unser großer Stratege, und den Feind schweigsam zu besiegen. Ich goß ihr ein gewaltiges Glas Rothwein ein und wendete mich mit aller mir innewohnenden Energie dem eben anlangenden Fischgericht zu.

Meine Unglücksgefährten gingen inzwischen lebhaft ins Zeug. Der pen- sionirte Kavalleriegeneral zu meiner Rechten warf sich kräftig gegen seine Stuhllehne, zog die Augenbrauen und den Schnurrbart in die Höhe, schob ein herzhaftes Stück Semmel in den Mund, goß den Rüdesheimer, den er vor sich hatte, hinterdrein und sagte dann, sich ritterlich verneigend:Ich habe Seiner Majestät im Osten und im Westen der Monarchie gedient, aber ich kann Sie versichern, meine Gnädigste, Restitutions-Fluidum ist das Beste." Und dann kam er auf sein Lieblingsthema: Die Beinpflege der Pferde.

Der Referendarius mir gegenüber strich mit dem Nagel des kleinen Fingers die Oberlippe, legte sich vorn über und blickte dem Backfischchen an seiner Seite so scharf ins Gesicht, daß sie glühend roth wurde und auf den Teller sah. Darauf räusperte er sich und begann stotternd:

Wo waren Sie gestern mu diese Zeit, mein gnädigstes Fräulein?"

Baden Sie gern in der See?" hörte ich eine andere Stimme.

Lieber als römisch," war die Antwort.

Das Nichtchen, welches vorhin die Silberfischchen gespielt, unterhielt sich mit einein Specialarzt für Gehörkrankheiten über die Farbenbliudheit, und der Baumeister mit der Dame des Hauses über die Zweckmäßigkeit der Eisen­konstruktionen, weil der Bediente eben ein halbes Dutzend Dessertteller hatte fallen lassen.

Nur ich schwieg. Ich schwieg und hörte zu, und ich kam sehr gut dabei fort; dem: unfern von mir sprach mein Freund, der Professor, über die Aus­grabungen in Olympia, von denen er eben: zurückgekehrt. Er sprach nur feilen darüber, aber heut war er besonders angeregt und schilderte mit wahr­hafter Meisterschaft. Man glaubte selbst an der Wunderstätte zu sein, so lebhaft war seine Darstellung.

Sind Sie auch in Italien gewesen?" fragte meine Nachbarin etwas gereizt; denn sie bildete sich ein, daß Ausgrabungen immer in Italien stnttfänden.

Ich schüttelte den Kopf und hörte weiter zu. Eine Pause folgte.

Papa macht in jedem Sommer eine Reise. Ob er in Olympia gewesen ist, weiß ich nicht. Ich glaube, er ist flüchtig durchgefahren, sonst hätte er wohl etwas davon erzählt," fuhr sie endlich fort.

Ich nickte, zum Zeichen, daß ich dies für höchst wahrscheinlich hielte.

Wieder durfte ich eine Zeit lang zuhören.

Lieben Sie die Antiquitäten mehr oder die Geselligkeit?" brachte sie nach einer Viertelstunde mit voller Energie heraus.

Die Gefahr erreichte ihren Gipfelpunkt. Allein noch einmal rettete ich mich. Ich lächelte vielsagend und zuckte die Achseln.

Der Braten war vorüber, die Nüsse knackten, die Knallbonbons sprühten ihr Feuer. An sechs Stellen war bereits die Debatte über die Fraueneman- zipation entbrannt.

Haben Sie in Ihrer Jugend niemals Gedichte gemacht?" dröhnte es jetzt entsetzlich an mein Ohr.

Nun wäre ich verloren gewesen; denn sie wartete lediglich auf mein nein," um mir ein triumphirendesaber ich," zuzurufen. Indessen der Professor endete eben, und die Dame des Hauses gab das Zeichen zum Auf­stehen.

Ich athmete auf. Glücklich hatte ich einen ganz genußreichen Abend erobert. ---

Wir beneiden die Franzosen so häufig um ihreeuusoris" und schelten uns, daß wir nicht zu plaudern verstünden. Alle Feuilletons seufzen nach jener oausaris oder einer deutschen Imitation derselben. Und in den Novellen lassen wir unsere Helden so häufig wie möglich: disn" undrnon alrsr" sagen, um dem Dialog die gerühmte französische Leichtigkeit und Grazie zu geben. Weil uns diese fehle, behaupten wir, seien auch unsere Salons so steif, unsere Konversation so pedantisch und öde, unsere Tischunterhaltung so lang­weilig. Wir thun uns selbst sehr Unrecht damit. Wir wüßten mit jener Causerie im Deutschen kaum etwas anzufangen; denn weder unsere würdige Sprache, noch unser Geschmack ist darauf eingerichtet. Unsere Tischuuterhaltungen schei­tern auch durchaus nicht daran, daß uns die Kunst fehlt zu sprechen.

Weit mehr fehlt uns diejenige zu schweigen und zuzuhören.

Sehen wir es für höflicher an, wenn jemand, dem nichts Gescheutes einfällt, lieber schweigt und einem Andern zuhört, dessen Herz von inter­essanten Dingen überströmt, als daß er glaubt, er müsse seiner Dame den pflichtschuldigen Tribut an Worten darbringen. Nehmen wir es nicht für Anmaßung, wenn jemand, der Wisseuswerthes zu berichten hat, in weiterem Kreise an unseren! Tisch das Wort ergreift.

Ein jeder sei sich klar, daß gar keine Konversation noch immer besser ist, als eine langweilige, und wir können Hundert gegen Eins wetten, daß wir niemals Ursache haben werden, die Franzosen um ihre Talente zu beneiden. Denn welcher Kreis wäre so arm, daß er nicht ein oder zwei auf ihre Weise originelle Köpfe und interessante Erzähler besähe?

Vor allen Dingen dürfen unsere Damen und Dämchen es nicht als per­sönliche Kränkung betrachten, wenn ihr Kavalier einmal einsilbig wird. Sie werden sich selbst viel Plage damit ersparen. Ich tanzte meinen letzten Kotillon mit einer sehr lieben und sehr klugen Freundin, mit der ich oft die amüsantesten Plauderstündchen verlebt habe. Diesmal sank sie, halb ohn­mächtig, an meiner Seite auf den Stuhl nieder und seufzte tief auf:Gott sei Dank, wir beide brauchen uns doch hoffentlich nicht zu unterhalten."

Ich war ganz ihrer Meinung, und glücklich entzogen wir uns den trüb­seligen Folgen eines Pflicht-Wortwechsels.

Das geht aber nur an, wenn unsere Schönen freundlicher sind, als meine Tischnachb'arin an jenem Abende es war, den der General zu seinem hun­dertsten Vortrage über die Beinpflege der Pferde benutzte.

Ich hörte, wie eine Freundin sie ganz in meiner Nähe fragte:

Neben wem hast Du denn heute gesessen?"

Und sie antwortete recht spitz und malitiös:

Neben einem taubstummen Alterthumsforscher."

Der Vierzehnte.

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in Leipzig emtreffcude Inserate finden Aufnahme in die acht Tage darauf erscheinende Nummer.

Daheim-Anzeiger.

(AuSgcgcbeu am 27. April 1878, geschlossen am 18. April 1878.)

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Bei I. Nicker in Gictzen ist soeben er­schienen:

Deutsches Wörterbuch

von

vr. A. A. K. Weigand.

8. Anfl. 2 Bde. Mk. 34. s2S82

Von der Kritik ist dies einstimmig sür das beste aller deutschen Wörterbücher erklärt worden.

ein geliebtes Kind, eine» braven Vater yd. eine treue Mutter pp.

durch den Tod verloren hat

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Ulisii'äge auf Kötner Domtiantoose

welche ich zur vorigen Lotterie nicht mehr aussühreu konnte, erbitte ich bis Ende Juni a.o.

Julius Kertig, Kamöurg, 2g42s Fonds und Lotterie-Geschäfts