eben nicht bedeutend, was schlimmstenfalls bei einem kühnen Wagen eingeschustert wird, so-nun. Du verstehst mich wohl; Louis Fort 3 4 5 6 lebt ja
noch und der alte Gott 3 auch noch. Du bist nicht auf den Kopf gefallen; Deine Sprachkenntnisse kommen Dir trefflichst zustatten, und das Unglück hat den Literaten in Dir nie verfolgt; die russische Literatur ist nicht überreich, aber ein Werk wie „Finnland und die Finnländer" wird gewiß alljährlich in Rußland geschrieben, und Hinrichs 7 ' steht auch noch auf zwei Beinen. Ich kann und mag mich nicht deutlicher erklären; soviel ist gewiß, kettet Dich nicht der Magen — so müßtest Du nicht der sein, der Du bist; Dein Geist ist hier und Dein Herz mindestens stückweise. Denk e bissei nach und tu schließlich, was Du nicht lassen kannst; ein Hundsfott macht’s besser, als er kann.
Glaub übrigens nicht, daß ich's verschmäht habe auf Deine Verse in Versen zu erwidern’'. Du könntest durch dieselben in Fatalitäten verwickelt werden, drum erfolgen sie nicht anbei; doch schick ich meine versifizierte Erwiderung auf Deinen Brief gleichzeitig mit diesen Zeilen nach Leipzig, um jene in der „Eleganten" abdrucken zu lassen. Nimmt sie Laube 1 2 ' auf, was er dreist tun darf, da man sie allenfalls lesen kann, (Künstlereitelkeit, schöne Sache!) so wirst Du die eigentlichste und jedenfalls verständlichste Beantwortung Deines Briefes in den März, April oder Mai-Nummern der „Eleganten" finden. Ich weiß, daß sich diese mitunter nach Odessa verirrt. „Einem Freunde" lautet die Überschrift.
Schließlich die kurze Anzeige, daß ich mich wieder der Giftmischer-Zunft zugesellt habe, und vom 1. April ab in Berlin Pharmazie studiere.' Mit mir also war's nichts im Literatentum, der bloße Versuch 8 hat mich bedeutend runtergebracht.
Adieu, mein guter alter Kerl.
Th. Fontane.
1 Wolfsohn war nach Beendigung seines Studiums in Leipzig im August 1843 in seine Vaterstadt Odessa zurückgekehrt und hatte von dort aus sein am 28. Oktober 1843 verfaßtes Gedicht .Meinem Theodor" an Fontane gesandt. Darin drückte er seine Unzufriedenheit mit den Verhältnissen im zaristischen Rußland aus.
2 Bei Louis Fort, Verlagsbuchhändler in Leipzig, war u. a. Wolfsohns Dissertationsschrift .Die schönwissenschaftliche Literatur der Russen” im April 1843 erschienen. Fontane und Wolfsohn lebten im Frühjahr und Frühsommer 1843 beide in Leipzig.
3 Gemeint ist der Gott der Juden.
4 .Finnland und die Finnländer“ von F. Derschau war 1843 in Wolfsohns Übersetzung in der C. F. Hinrichschen Buchhandlung in Leipzig erschienen.
5 Fontane gab seiner Antwort in Versen die Überschrift .Einem Freunde in Odessa"; im Gedicht gibt er Wolfsohn offen den Rat, nach Deutschland zurückzukehren. Es erschien nicht in Heinrich Laubes .Zeitung für die elegante Welt', sondern wurde erst 1932 in „Allerlei Gereimtes" veröffentlicht.
6 Heinrich Laube (1806—1884), Schriftsteller des „Jungen Deutschland", später Direktor des Wiener Burgtheaters.
7 Fontane arbeitete zur Zeit der Abfassung des Briefes als Defektar in der väterlichen Apotheke in Letschin. Um zum Apothekerexamen zugelassen zu werden, mußte — wie das Prüfungs- regiement vom 1. 12. 1825 vorschrieb — der zu Prüfende entweder drei Jahre Gehilfe gewesen
• sein sowie „volle zwei Semester dem ausschließlichen akademischen Studium über Botanik, Chemie, Physik, Pharmazie und Pharmakologie fleißig obgelegen haben" oder fünf Jahre Gehilfentätigkeit nachweisen können (vgl. Manfred Gill, Theodor Fontanes Aufenthalte in Letschin, in: FB, Bd. 3, Heft 6 (1975), S. 433). Im Februar 1844 war Fontane demnach gesonnen, den ersten Weg zu beschreiten. Statt dessen trat er am 1. April 1844 seinen Dienst als Einjahrig-Freiwilliger in Berlin an. Erst vom Juli 1846 an — nach dem Ausscheiden aus der Polnischen Apotheke in Berlin — bereitete er sich - und zwar auf dem zweiten Wege — auf das Staatsexamen als Apotheker vor, das er am 2. März 1847 bestand.
8 Fontane denkt an seinen Versuch, sich im Sommer 1843 in Leipzig als Schriftsteller zu etablieren.
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