süchtige mit der George Sand 10 auf der Lippe und der Hahn-Hahn 11 in der Tasche — füllen hier bald einen Hörsaal, und sollte auch zu gleicher Zeit Corso gefahren, Tschech 12 II. hingerichtet und im Opernhause eine neue Polka getanzt werden. Daß ich Dir ein bessres Publikum als obiges wünsche, liegt am Tage. Für Deine Johannes-Rolle betreffs des Dichter-Messias Theodor Fontane 11 sage ich Dir meinen Dank; sollt ich bei der Gelegenheit ohne alle weiteren Bemühungen zur Unsterblichkeit gelangen, so würde mir das so angenehm sein, daß ich mich zu einem Sonett an C. W. Wolfsohn entschließen könnte. Übrigens bin ich der Meinung, daß Du klug tätest. Dich bei mir einzufinden; meine Kneipe steht zu Deiner Disposition. Ich wohne ziemlich anständig im Hause meines Onkels. Leb wohl
Dein
Th. Fontane.
1 Fontane wohnte in den, Sommermonaten 1846 £>is zum . Spätherbst in der Wohnung seines Onkels August Fontane in 'det 1 Dörotheenstraße'60'. Den nachstehend erwähnten Brief Wolf- sohnäy der nicht • überliefert -ist, hatte Fontanes-Tante Pinchen mit zum Bahnhof genommen.
2 Fontanes Weg zum Anhaitischen Bahnhof, wo er sich um Wolfsohns Gepäck kümmern sollte,
führte am Brandenburger Tor vorbei und durch die Wilhelmstraße (heute Otto-Grotewohi- Strafje). ... • . , . /. ! '
3 Wolfsohn war im Dezember 1845 aus Rußland nach Dresden zurückgekehrt. Koffer und Reisesack enthielten' in Rußland gesammelte lind längst erwartete Bücher, Zeitschriften und andere Materialien, die er f.ür seine. Übersetzüngsarbeiten. aus ' demi Russischen benötigte.
4 Guiseppe Mezzofanti (1774—1849), .italienischer Linguist, und. Kardinal. . .
5 Wolfsohn hatte von Februar bis Mai 1846 in' Dresden über' die deutsche Poesie des Mittelalters und im Mai. und Juni: in..Leipzig .über „einzelne Gestalten unserer Liteiatur" gelesen.
6 Fontane war nach seinem Ausscheiden aus, der Polnischen. Apotheke in Berlin am 30. Juni 1846 zunächst zu seinen Eltern nach Letschin gefahren.
7- Wolfsohn verwirklichte seinen.- Plan, in Berlin. Literaturvorlesungen zu halten, erst anderthalb Jahr später, im Februa.r und März 18.48*
f? Robert Prutz (1816—1872) hielt vom 10. Februar bis 28. März 1846 in Berlin im „Hotel du . Nord' .adit Vorträge über die „Geschichte des deutschen Theaters mit besonderer Berücksichtigung der .geselligen • und öffentlichen Verhältnisse"*
9 Jehny Linds (1820—1887) Gastrolle an der Berliner Oper und im Konzertsaal des Schauspiel- • *.hauses dauerte von Februar bis Anfang April 1846. '
10 George Sand (eigentlich Lucile Aurore Dudevao.t» geb. Dupin; 2804—1876), französische Romanschriftstellerin.
11 Ida Gräfin von HahnrHahn. (1805—1880),. Romanschriftstellerin*
12 Heinrich Ludwig Tschech, (1789—1844), Bürgermeister in Storkow; wurde wegen Mordversuch« an Friedrich Wilhelm IV. hingerichtet.
13 Fontane überträgt hier die Rolle Johannes des Täufers als Verkünders der Ankunft des Messias
auf Wolfsohn, weil dieser bei seinen Vorträgen 1846. in Leipzig und andernorts die Behandlung der neuesten Dichter wie Platen Und Leftau dazu benützt hatte, auch aiif Fontanes lyrische Produkte hinzuweisen.'' .. 1 ’
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Berlin, 10. November 1847 Mein lieber alter Freund!
Letschin 1 im Oderbruch, Kirchdorf mit 3500 Seelen und Residenz zweier dort stationierter Gensdarmen, hängt durch Vermittelung eines sogenannten Rippenbrechers von Postwagen nur. lose mit der zivilisierten Welt zusammen. Es ist ein zweites Klein-Sibirien; die Lebenszeichen einer Welt da draußen sind selten, aber — sie kommen doch vor. — Wenn ich vorhin den Postwagen als Brücke; bezeichnete, die der verstorbene Stäatsminister Nagler 2 zwischen dem Diesseits urtd: Jenseits schlug, so war das zwar Wahrheit, aber nicht die ganze Wahrheit. Der geistige,, mithin der bedeutsamere Verkehr wird durch ein. altes
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