Weib 3 unterhalten, das nicht unähnlich der Norne im Scott'schen „Piraten '" 1 allsonnabendlich ein Felleisen in die Apotheke wirft und in Nacht und Grauen gespensterhaft verschwindet. Das alte Weib trägt einen geflickten Rock und Schmierstiefel, ihr „guten Abend" klingt wie das Donnerwetter eines Bootsknechts — ihre Reise geht auch nicht durch die Lüfte, sondern knietief durch dicksten Dreck, dennoch erscheint sie allen Hausbewohnern stets wie ein Engel vom Himmel, reizend wie Schillers Mädchen aus der Fremde.”' Die Stetserwartete, Immergesegnete (was ich nicht auf interessante Leibeszustände zu beziehen bitte) ist die Küstriner Bücherfrau, die allwöchentlich im Dienst ergraute Journale wie altbackenen Kuchen aus ihrem Füllhorn auszuschütten pflegt. Unter diesen glänzt als ein Stern erster Größe die „Europa" 11 , dann und wann mit Beiträgen von Carl Wilhelm Wolfsohn. — Ja, mein lieber Freund, vor ungefähr vier Wochen gab mir die von Dir übersetzte russische Novelle den Beweis Deines Daseins und Deiner literarischen Tätigkeit. Als ich bloß Deinen Namen las, trat mir die schöne alte Zeit wieder frisch vor die Seele — Dein bloßer Name wurde mir zur Laterna magica oder um klassischer zu vergleichen, zum Kessel der Hekate 7 , aus dem ein Dutzend lieber Gestalten vor mir aufstieg. Ich wollte gleich schreiben und Dich mit den geistreichen Fragen: wo bist Du? wie tust Du? was willst Du? bestürmen; indes es kam dies und das dazwischen, und ohne einen scheußlichen Schnupfen, der mich heut ans Zimmer fesselt, wären vielleicht noch Monate vergangen, bevor ich meine Absicht von damals ausgeführt hätte.
Indem ich nun den herzlichen Wunsch aussprechc, recht bald von Dir und Deinem Tun zu hören, indem ich ferner bitte, mir so viel wie möglich über die lieben, alten Jungen (Schnupfen-Sentimentalität! ich schreibe sonst nie so) mitzuteilen, mit denen wir oftmals so traulich und heiter zusammen waren, geh ich dazu über. Dir etwas Material zu meiner Biographie zu liefern. Schließe übrigens aus dieser Äußerung nicht, daß ich wie Wallenstein nächstens „einen langen Schlaf zu tun " 8 oder wie Hamlet „in das Land zu reisen " 3 gedenke, von dannen keine Wiederkehr — nein, gegenteils! ich bin mit den Jahren jünger geworden, und die Lebenslust, die eigentlich ein Erbteil der Jugend ist, scheint mir zu wachsen, je länger der abgewickelte Faden wird.
Daß ich verlobt bin 10 , weißt Du. In diesem Faktum liegt noch kein Grund zur Gratulation, wohl aber darin, daß ich mich glücklich fühle in meiner Walil und meiner Liebe. Du hast das junge Mädchen bei Deinem Hiersein 11 gesehn. Das Hervorstechende ihres Wesens ist, körperlich und geistig, das Interessante, sie wird mich auch da zu fesseln wissen, wo mir größere Schönheit, umfassenderes Wissen und selbst tieferes Gefühl auf meinem Lebenswege begegnen sollten. Mit einem Wort, sie ist „liebenswürdig", sie hat jenes unerklärbare Etwas, was allem einen Reiz verleiht; die Schwächen selbst werden so zu Tugenden gestempelt; Unkenntnis gibt sich als herzgewinnende Natürlichkeit; launenhafte Wünsche und Einfälle kleiden sich in das Gewand des Eigentümlichen. — Ich habe in meiner Liebe viele Kämpfe durchgemacht; ich habe (ohne deshalb meine Braut je minder geliebt zu haben) meine Verlobung wie eine Übereilung betrachtet, ich habe mir die Befähigung abgesprochen, je ein Weib glücklich machen zu können, und habe gleichzeitig meinen eignen Untergang als eine Gewißheit vor Augen gesehn; zu dem allen hab ich den Höllcnsoff brennender, verzweifelnder Eifersucht gekostet, oder richtiger, meine Seele