Heft 
(1987) 43
Seite
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erbaut mich diese Aussicht wenig, aber sie macht mich nicht unglücklich. Ich habe den Wunsch, Poet von Fach zu sein, lange und für alle Zeit begraben. Nach meiner Meinung muß ein Dichter allemal Dillettant sein und bleiben; so wie der Fall mit der melkenden Kuh eintritt, ist es mit der Poesie Matthäi am letzten. In zwei Jahren hoff ich selbständig d. h. Apothekenbesitzer, Gatte und resp. Familienvater 19 zu sein; trotz vieler Sorgen, die von dem Augenblicke an auf mich einstürmen werden, hoff ich doch in meinen Grundfesten un­erschüttert zu bleiben, und wenn auch langsam, so doch sicher ein Ziel zu erreichen, das sich jedes ernste Streben stecken muß.

Ich wundere mich nicht, wenn diese Sprache Dich stutzig macht; so viel aber hoff ich von Deiner Freundschaft und guten Meinung von mir, daß Du das Vorstehende nicht als die Herzensergießungen eines arroganten Schlingels betrachten wirst.

Betrachte meinen Brief wie die Beichte eines Freundes dem Freunde gegen­über, und mache mir die unendliche Freude, ihn recht bald in gleicher Weise beantwortet zu sehn. Was Du über M. Müller, Schauenburg, Kriege, Köhler 29 und andere Kumpane gehört hast, teile mir ausführlichst mit; Müllern ver­fehlte ich im vorigen Jahr und bin somit ohne alle Nachricht.

Noch eins. Wolltest Du zu meinem lieben Georg Günther 21 gehn, und ihm in meinem Namen versichern, daß ich mit unveränderter Liebe und Dankbar­keit an ihm hinge, so würdest Du mir einen rechten Freundschaftsdienst erwei­sen. Teil ihm aus meinem Briefe mit, was Du für passend hältst. Schreiben an ihn kann ich nicht; einesteils ist diese Leidenschaft überhaupt dahin, dann aber zweimal dasselbe, ist fast zu viel verlangt. Was machen die liebenswürdigen Melgunows? 22 Leb wohl.

Dein Th. Fontane

Berlin, Zimmerstraße No. 2 per Adresse Kummer 2 ''.

1 Fontane hatte sich nach Ablegung des Apothekerexamens von März bis Ende Oktober 1847 vor­wiegend in Letschin aufgehalten. Da der Ankauf einer eigenen Apotheke in Frankfurt/Oder gescheitert war, nahm er zum 1. Dezember 1847 die Stelle als erster Apotheker in der Jung- schen Apotheke an.

2 Karl Ferdinand Friedrich von Nagler (17701846) war seit 1821 Chef des preufiischen Post­wesens.

3 Fontane stellte dies »alte Weib" später inVor dem Sturm" als Hoppemarieken dar.

4 Walter Scotts (17711832) RomanDer Pirat" war 1822 erschienen.

5 Gemeint ist Friedrich Schillers GedichtDas Mädchen aus der Fremde".

6 In Gustav Kühnes ZeitschriftEuropa erschien am 21. und 28. August 1847 Wolfsohns Über­setzung die NovelleEine Million" von Nikolai Pawlow.

7 Hekate ist als Herrin der Geister und Gespenster eine Göttin aus der griechischen Mythologie.

8 Friedrich Schiller, Wallensteins Tod, V. Akt, 5. Aufzug.

9 Willnan Shakespeare, Hamlet. III. Akt, 1. Aufzug.

10 Seit Dezember 1845.

11 Wolfsohn war Ende 1845 aus Petersburg kommend durch Berlin gereist und hatte sich ver­mutlich mit Fontane und seiner Braut getroffen.

12 Die Sage schreibt Ernst III., Graf von Gleichen, eine vom Papst legitimierte Doppelehe mit seiner ersten Gattin und der Türkin Melechsala zu; diese hatte ihn während des Kieuzzuges 1228 aus türkischer Gefangenschaft befreit. Die thüringischen Grafen von Gleichen, die sich nach der bei Erfurt gelegenen Burg so nannten, starben 1631 aus.

13 Von 1843 bis zu diesem Zeitpunkt waren von Fontane 14Charakterzeichnungen historischer Personen" sowie Balladen in CottasMorgenblatt für gebildete Leser" teils anonym, teils unter­zeichnet erschienen.

14 Zuversicht, Vertrauen.

15 Fontane hatte kurz zuvor, am 2. November 1847, dem Redakteur desMorgenblatts", Hermann Hauff, den Abdruck des EposVon der schönen Rosamunde" angeboten. Es wurde dort jedoch erst fast drei Jahre später, zwischen dem 13. und 20. September 1850, in neun Folgen gedruckt. Im Dezember 1849 war bereits die durch Wolfsohn vermittelte Buchausgabe bei Katz in Dessau mit der Jahreszahl 1850 herausgekommen.

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