Heft 
(1987) 43
Seite
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Ich bin nämlich seit dem 1. Oktober nicht mehr in Bethanien 1 2 3 4 5 6 7 , und lebe seit der Zeit als bummelnder Freiherr, Louisenstrafte 12, 3 Treppen. Die geringe Barschaft ist aufgezehrt, der Kredit erschöpft, und ich bin entschlossen, am 1. Dezember wieder unter die Handarbeiter zu gehen. Ich weift noch nicht, ob als Apotheker oder als Kutschenschlagaufmacher (allen Ernstes) bei der Eisen­bahn.

Die Herausgabe meiner Sachen bei Cotta, oder aber, gegen Honorar, derRosa- munden"-Abdruck in Dessau, würden mich meinen gefaftten Plan vorläufig wieder aufgeben lassen, woraus Du vielleicht einen neuen Antrieb schöpfst, auf einige Achtgroschenstücke zu bestehen. 8 9 10

Ist der Dessauer 11 * , trotz seiner freien Verfassung und der anderthalbjährigen Segnungen des Ministeriums Habicht'P, in der Kultur dennoch so weit zurück, nichts zahlen zu wollen, so laft ihn abfallen und sag ihm in meinem Namen: er möchte dann sehn, wie er fertig wird".

Jedenfalls erwart ich, von Dresden aus, einige Zeilen hierauf 11 ; so wie denn, wenn überhaupt aus der Geschichte noch was würde, eine nachträgliche Durch­sicht des Gedichts von meiner Seite unerläßlich, eine kleine Widmung min­destens passend wäre 13 .

Di|r wünsch ich in Dresden gute Tage und gute Geschäfte. Müller (der Lon­doner) 13 war gestern bei mir; ich habe mich sehr darüber gefreut.

Leb wohl, unter allen Umständen meinen Dank

Dein Th. Fontane

Trotz der verdrehten Abfassung des Briefes ist es mir doch mit allem darin durchaus Ernst; doppelt und dreifach aber mit der verdeubelten Geld­geschichte.

Meine Braut ist schon seit Wochen in Schlesien 14 ; es geht ihr gut Wenn was freilich unwahrscheinlich ist mein freier Aufenthalt hier in Berlin sich über den 1. Dezember ausdehnt, so wohnst Du später natürlich bei mir. 13

Dein Th. F.

1 Dieser Brief Wolfsohns vom November 1849 ist nicht überliefert.

2 Wolfsohn hatte Fontanes Manuskript »Von der schönen Rosamundc' nach seinem Aufenthalt in Berlin von Januar bis März 1848 mit nach Dresden genommen und den Dessauer Verleger Moritz Katz dafür interessiert.

3 Am 19. Oktober 1849 hatte Fontane den Berater des Verlegers Johann Georg von Cotta (1796 bis 1863), Gustav Schwab (17921850), um Fürsprache bei Cotta für die. Herausgabe seiner Sachen gebeten. Es wurde nichts daraus.

4 Gemeint ist der Dessauer Verleger Moritz Katz, der aus Teplitz kommend 1851 die Buchdruckerei von Karl Wilhelm Fritsdie übernommen und sie mit einem Darlehen der Regie­rung von 8000 Talern unter der Firmierung Gebrüder Katz neu eröffnet hatte. Die Firma ging 1864 in Konkurs -(Auskunft des Stadtarchivs Dessau vom 22. 4. 1986). Bei der Bezeichnung .alter Dessauer' handelt es sich um ein Wortspiel Fontanes mit seiner 1847 geschriebenen Ballade »Der alte Dessauer'.

5 Matthäus-Evangelium, Kap. 6, Vers 28.

6 Matthäus-Evangelium, Kap. 8, Vers 20.

7 Fontane hatte durch Vermittlung eines Freundes seiner Eltern, des Pastors Ferdinand Schultz, von Mitte September 1848 bis 30. September 1849 im Diakonissenhaus Bethanien zwei Apo­thekerschwestern ausgebildet. Über die Begegnung Fontanes mit Wolfsohn in Bethanien im Februar 1849 vgl. im vorstehenden Aufsatz S. 486 f.

8 Mit Fontanes Einverständnis vereinbarte Wolfsohn 3 Louisdor für die »Schöne Rosamunde'.

9 Gemeint ist der Dessauer Verleger Moritz Katz.

10 In Anhalt-Dessau war im Anschluß an die Märzereignisse 1848 das volkstümliche Ministerium

Habicht-Köppe berufen worden; die demokratische Verfassungsurkunde hatte bis 1852 Gültig­

keit.

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