Der Kirche Dach umweht.
Von hohem Alter zeuget Der Stamm, so mächtig stark.
Wächst schier aus dem Gemäuer,
Wie aus der Kirche Mark.
Von diesem alten Birnbaum Geht eine Sage hier.
Die war als Kind zu hören Stets eine Wonne mir . . ,". 3
So beginnt das Gedicht, in dem die bekannte Legende erzählt wird. Doch sind die Verse der Hertha von Witzleben seinerzeit über Ribbeck hinaus kaum bekannt geworden. Aber zwölf Jahre später erschien in Fontanes Geburtssttadt Neuruppin, im Verlag von Rudolf Petrenz, 1887 der kleine Band „Sagen der Grafschaft Ruppin und Umgebung" von Karl-Eduard Haase, in dem unter der Überschrift „Der Birnbaum an der Kirche zu Ribbeck" ebenfalls diese Legende erzählt wird. Wahrscheinlich war dieser Band dann der Anlaß für Fontane, diese Ballade zu dichten, die im folgenden Jahr veröffentlicht wurde. Dieses nun immer wieder zitierte Gedicht, das wenige Jahrzehnte später in allen Schullesebüchern zu finden war und überhaupt zu den bekanntesten und beliebtesten Gedichten über die Mark Brandenburg gehört, sollte nicht das letzte dichterische Produkt über die Geschichte des alten Birnbaums gewesen sein.
Da gab es in Ribbeck eine Orts- und Heimatdichterin, Friederike Lahn, die wir heute als „schreibende Arbeiterin" klassifizieren würden, die jahrzehntelang das Leben der Gemeinde, die Festlichkeiten im Dorf und auch die kirchlichen Ereignisse mit ihren Versen begleitet und ausgeschmückt hat. Einer ihrer Urgroßenkel lebt heute noch in Ribbeck und kann sich, wie auch andere ältere Einwohner des Dorfes, lebhaft an „Urgroßmutter Lahn" erinnern. Sie starb im Jahre 1940, fast einhundert Jahre alt.
Als junges Mädchen war sie im benachbarten Dorf Berge als Dienstmagd in Stellung. Der Urgroßenkel berichtete mir, daß seine Urgroßmutter ihm oft von dem großen Brand in Ribbeck im Jahre 1856 erzählt hat. Als die Leute in Berge die Rauchwolken über Ribbeck aufsteigen sahen, lief Friederike in Holzpantinen geschwind die drei Kilometer nach Hause. In Ribbeck war nur noch wenig zu retten. Das Dorf wurde bis auf zwei Gehöfte und das Gutshaus eingeäschert. Später heiratete Friederike einen Landarbeiter und war in Ribbeck als Waschfrau und Arbeiterin tätig. Da sie eine aufgeweckte, geistig interessierte junge Frau war und gern las, begann sie eines Tages Gedichte zu schreiben, mit denen sie alt und jung erfreute. Über ihr Leben und das Leben in Ribbeck soll sie auch umfangreiche Tagebücher geführt haben.
Als der alt und hohl gewordene Birnbaum im Februar 1911 fiel, dichtete Friederike Lahn den „Schluß vom Birnengedicht", in dem sie dieses traurige Ereignis beschreibt. Auch die säuerlichen Früchte des Baumes werden im Gedicht geschildert:
„Doch wurde die Frucht nicht Birne genannt,
Sie war als ,Kodde' bei uns bekannt.
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