Heft 
(1987) 43
Seite
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DerSeitentrieb" setzte an einem unscheinbaren Zettel an: er dokumentierte Fontanes .drittklassige' Wahlmannskandidatur für die Kreuzzeitungs-Partei bei den Urwahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus am 28. April 1862.Die Grafschaft Ruppin" war ausgeliefert,Das Oderland" konzipiert und in Teilen ausgeführt, einzelne Kapitel vonHavelland" undSpreeland" lagen vor oder waren bereits erschienen. Und während der militärisch-monarchische Obrig­keitsstaat in seine schwerste Krise seit 1848 trieb, fuhr der Wanderer nicht nur auf manche herrschaftliche Rampe hinauf, sondern optierte auch für diesen Obrigkeitsstaat und gegen die Parlamentarisierung, für die Hochkonservativen und gegen die Fortschrittspartei. Aus Überzeugung, nicht aus Opportunität oder gar Opportunismus, so wie er 1848 ebenso überzeugt als Wahlmann für Deutschland" und für dieRepublik" eingetreten war. (InVon Zwanzig bis Dreißig" las sich's dann anders:mein erstes und letztes Auftreten als Poli­tiker . . .")

Der zwischenPlauderton" undhistorischer Vortragsweise" modulierende Wanderer-Ton hatte von Anfang, und ich wage zu behaupten: bis zum Ende einen konservativen Orgelpunkt. Wie sehr dieser auch schließlich, nach mehr als zwanzig Jahren, auf den Charme des Persönlichen und dieWelt anspre­chender und gefälliger Formen" herabgestimmt war und wie prekär sich's auch politisch mit ihm machte: demLand- und Landesadel" verblieb ein historisch-novellistisches Ehrenvorrecht und der Abglanz einer .schönen' Lebensform.

Daraus wurde ein .bleibender Erinnerungsschatz', das fortwirkende Bild einer so geprägten historischen Landschaft ohne Riß und ohne Bruch. Ex post, nach endgültigem Riß und Bruch, setzt da vielleicht auch die Berechtigung ein, es einmal andersrum, mitGegen-Wanderungen", zu versuchen. Vom Ende her gesehen, zieht man die Linien anders aus.

Der möglichen Berechtigung lag freilich bestimmend der Wunsch voraus, mir den historischen Raum, in dessen .imaginärer' Mitte ich lebte, schreibend anzu­eignen. So waren es, das eingangs Berührte, spielte hinein, auch .imaginäre' Wanderungen auf Landkarten, Ansichten, Bildern, Streifzüge durch Hinter­lassenschaften, Anthologien, Biographien, Erkundungen in Tagebüchern, Hof- und Staatskalendern etc. Sie wurden belebt von flüchtigen Blicken auf Schilder, Orte, Felder, Seen, bei Fahrten auf alten Trassen.Von Blei schien meist der Himmel. Blaue Fahnen klafften kaum hinein, häufig strich Regen schräg, mengte aus Erde klebriges Gelb..." In Niederneuendorf an der Havel, grad gegenüber von Heiligensee, steht auf einem alten Grabdenkmal des Casper Clitzing, Hauptmann am kf. Hof zu Brandenburg, und der Margareta von Oppen:PVLVIS ET VMBRA SVMVS".

Das Buch wurde schräg gegenüber dem Schöneberger Alten Dorffriedhof ge­schrieben, wo Fontane den Freund und Dichter Christian Friedrich Scheren­berg zu Grabe getragen hat. (Und mußte am Ende um hundert Seiten gekürzt werden.) Der Anmerkungsteil kam erst nach dem Ortswechsel nach Hannover hinzu: er wurde in Nachbarschaft zurHohenzollern-" undPodbielskistraße" aus einem Zettelwust zusammengestückelt. Auch ohne den Podbielskischenge­steigerte^) Post-Drill mit der Hand an der Hosennaht" (an Grünhagen, 27. 6. 97) werden die Seiten rechtzeitig in Potsdam eingehen von wo aus ich liebenswürdigerweise zu dieserSelbstanzeige" angestiftet worden bin.

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