Heft 
(1987) 43
Seite
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es ratsam, nicht bloß von außen mit kritischem Blick an die .Wanderungen' heranzutreten, sondern, wo immer möglich, die Spuren von innen her weiter zu verfolgen, d. h. die einmal vertrauten Bilder um fortgelassene Teile zu ergänzen, Gegenbilder zu erzeugen, ein wenig plebejische Konterbande in die konservative Idylle zu schmuggeln, die Prosa mit der Poesie des Adels bunt zu mischen und namentlich das Häßliche neben dem .Schönmenschlichen' zu angemessener Geltung zu bringen." Anliegen des FiscKerschen Buches ist es also, über das hinauszugehen, was Fontane zu Personen und Örtlichkeiten in seinenWanderungen" bringt. Fischer präsentiert uns allerdings keine Wande­rungen im Fontaneschen Sinne. Wie aber geht er zuwege?

In seinem Buch werden locker verknüpft Bilder märkischer Adelsgeschlechter mit ihren Wohnsitzen, Taten und Schicksalen vorgeführt. Dabei erfahren wir zusätzliche Informationen über die bei Fontane behandelten Personen, ihre Vorfahren und Nachfahren sowie etwas über ihre Rolle im Wirtschaftsleben, in der Politik und im geistigen Leben Preußens. Neben manch Positivem hebt der Autor sehr kritisch die verhängnisvolle Rolle hervor, die einzelne Ver­treter des Adels in der Zeit des Faschismus gespielt haben.

Ausgangspunkt und Aufhänger für die Behandlung der einzelnen Adelsfamilien bildet das Revolutionsjahr 1848. Im Gefolge der Revolution fand sich der preußische Adel im sogenanntenJunkerparlament" zusammen. Von dieser und einer weiteren Zusammenkunft zahlreicher Vertreter des brandenbur- gischen Adels in dem v. Schierstädtischen Schloß Dahlen bei Ziesar (heute Kr. Brandenburg-Land) zur Abwehr der Reformgesetze und zur Wiedererrichtung eines ständischen Regimes in Preußen sind Teilnehmerlisten erhalten. Für Fischer bilden diese Listendie Schnur, auf die die Perlen und Biüten aus den .seligen Steppen' der Uckermark, aus .Sumpf und Sand' des Havellandes, aus .Haid und Kraut' des Pommerlands, insonderheit aber aus der Marken Gesamt­verband gezogen sind." Im nachfolgenden werden alle bedeutenden oder weni­ger bekannten Adelsfamilien von A bis Z, von Aisvensleben bis Zieten behan­delt. Dabei geht Fischer mit vielen scharf ins Gericht. In einem bunten Gemisch von biographischen Skizzen, historischen Exkursen, Blicken ins private Leben, Beschreibung bekannter Adelssitze und Aspekten des politischen und wirt­schaftlichen Lebens wird der Leser von Familie zu Familie geführt:kurz, oft ist das Heterogenste gerade gut genug, um die Spannweite zwischen Poesie und Prosa des märkischen Adels anzumessen. Immer auch wird der Versuch gemacht, die entsprechenden Teile der .Wanderungen' kontrastiv bzw. ergän­zend in die Darstellung hineinzunehmen." Mit großem Fleiß und Spürsinn hat Fischer aus den unterschiedlichsten Quellen Material zusammengetragen. Damit bringt er weit mehr als alle bisher erschienenen kritischen Ausgaben der FontaneschenWanderungen" in ihren Anmerkungsapparaten dem Leser in die Hand geben können. Hierin liegt eine Stärke des Fischerschen Buches.

Auf über dreihundert Seiten wird dem Leser mit einer Fülle von Daten, Tat­sachen und Zusammenhängen begegnet, die ihm ein plastisches und vielgestal­tiges Bild des Adels und seiner Stellung im Preußen des 19. Jh. vermittelt. Es fällt schwer, aus der breiten Palette interessanter Kapitel des Buches etwas zur näheren Besprechung herauszugreifen. Zu den bedeutenden Familien, die in der preußischen Geschichte eine besondere Stellung einnahmen, zählt Fischer die v. Arnim, die Bismarks, Schulenburgs, Schwerins, die Kattes, die

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