mit der Entwicklung inhaltlicher-Strukturen. Diese Entstehung hangt weniger mit dem Was als mit dem Wie zusammen, ist ein personenspezifischer Begriff und läßt sich weder philologisch standardisieren noch auf den Wortlaut reduzieren. Sie wurde durch die Arbeitsweise des Dichters bedingt, so daß es endlich angebracht ist, Fontane selbst zu Wort kommen zu lassen.
Von seiner Arbeitsweise hat Fontane öfters gesprochen und geschrieben und immer die gleichen zwei Termini verwendet, die heißen „Psychographie" und „Correktur" 4 . Aus vielen Brief- und Tagebuchstellen wissen wir, daß — zeitlich prozentual gesehen — der Löwenanteil der Arbeit unter die Rubrik „Correktur" fiel, weshalb wir diesen Begriff zuerst aufarbeiten.
Worin die Korrektur eigentlich bestand, darüber geben die Arbeitshandschriften reichlich Aufschluß. Um Korrektur im Sinne von Fehlerbeseitigung handelte es sich ganz entschieden nicht. Zwar schrieb Fontane immer wieder an wartende Redakteure, „Ich korrigiere noch daran," und es hört sich auch sehr gewissenhaft an; aber hätte er die Wahrheit gesagt, so hätte er schreiben müssen, „Ich mache Änderungen und Erweiterungen, schreibe manches mehrmals um und streiche vieles wieder," — und wäre damit wohl auf etwas weniger Verständnis gestoßen.
An all den Änderungen in den Handschriften kann dieser Korrekturbegriff plastisch gesehen werden. Es gibt keine Druckmethode der Welt, die diesen unmittelbaren Eindruck ersetzten könnte, der vom Streichen und Zwischen-den Zeilen-Einschreiben, vom Ausschneiden und Drüberkleben, von den. verschiedenen Tinten und Schreibgeräten, Launen und Stimmungen des Federführenden ausgeht. Das Ergebnis sind verschiedene Schriftbilder, die — ob gewollt oder nicht — implizite Anhaltspunkte zur Datierung, genauer gesagt: zur Abhebung von Schichten bieten. Ich habe die Arbeitshandschriften als verwildert beschrieben, aber in diesem Dschungel gibt es Ordnungsprinzipien, die allerdings vom Forscher selbst entdeckt werden müssen.
Zu den Schriftbildunterschieden kommt als Anhaltspunkt auch das Überlappen verschiedener Schriftbilder hinzu: an den Nahtstellen zwischen Passagen, die m verschiedenen Arbeitsphasen entstanden, mußte die neuere in die ältere hineingeschrieben werden. Dieses Überlappen hinterließ Spuren, an denen das relative Alter der betroffenen Schriftbilder abzulesen ist und die die Basis für ein Ausschlußverfahren liefert. Auch beschriebene Rückseiten stellen eine besondere Form des Überlappens dar.
Das Eigenartigste sind jedoch die aufgeklebten Zettel. Es geht aber nicht um die Daten, die auf mancher Zettelrückseite stehen, weil sie ja nicht den Romantext datieren, jedenfalls nicht mit der gewünschten Genauigkeit. Aber seit ich die Handschrift erblickte, weil sie überall Spuren der Schere und des Kleister- Pinsels aufweist, weiß ich, was es mit jenem Kinderspiel auf sich hat, das Fontane im 14. Kapitel von Meine Kinderjahre abwechselnd als „Buchbinderei" mid „Papparbeit" bezeichnete. Wer diese Buchbinderarbeit analysiert, spürt s ° manchen Versteckspielplatz des Dichters auf 3 .
ls ich die Stechlin-Handschrift zu studieren begann, empfand ich bald die wecklosigkeit eines Wort-für-Wort-Vorgehens und die Notwendigkeit eines
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