Morgana " 34 in der Landschaft besitzt die topographische Beschreibung von Schloß und Park Verweischarakter, der nicht Dubslav gilt, sondern überhaupt jener preußischen Adelskultur, deren Idealbild Dubslav verkörpert. Scherpe spricht in seinem anregenden Artikel mit Recht von einer „sozialen Topographie", die über den Zustand der Gesellschaft Auskunft gibt . 25 Über die Brüchigkeit wird wiederholt von Dubslav wie vom Erzähler hingewiesen. So blick Dubslav von seinem Verandasitz aus auf einen Poetensteg und auf ein Rondell mit Springbrunnen. Die Stechlinsche Fontäne wird von Dubslav im Brief an Woldemar als „durch die Mäuse wohl angeknabbert" beschrieben . 211 Später, in den Wahlkapiteln, unternimmt Dubslav zusammen mit anderen Rittergutsbesitzern aus der Nachbarschaft einen „Ausflug in die (preußische) Vergangenheit" (Rothenberg) 27 ; sie besuchen den Rheinsberger Park. Gemeinsam schreiten sie „die ziemlich wacklige Bretterlage hinunter" und blicken zurück auf das Hohenzollernschloß, wo einst der jungvermählte Friedrich der Große die wenigen glücklichen Jahre seines Lebens verbrachte, und später sein frondierender Bruder Heinrich seinen Hof hielt. Dubslav nimmt den Hinweis des Erzählers noch einmal auf, wenn er seine Begleiter mahnt: „Meine Herren, ich meinerseits schlage vor, daß wir unseren Auslug von dem Wackelstege, drauf wir stehen (jeden Augenblick kann einer von uns ins Wasser fallen), endlich aufgeben ". 28 Wenn also Dubslav als der hellsichtige aber gemütliche Prophet seine? Standes und seiner Welt fungiert, so ist es auffallend, daß die Revolution mit keiner anderen Figur aus dem Junkertum assoziiert wird, es sei denn, man rechnet Tante Adelheid als eine Art weiblichen Junker dazu, deren troglodytenhafte Behausung im Schatten „eine(r) hochaufrageftde(n) mächtigen) Giebelwand" stand, „wie bereit, alles unter ihrem beständig drohenden Niedersturz zu begraben ". 29
Der Revolutionsthematik und ihren Sinnbildern eng verbunden und diese über den engeren politischen Kontext hinausführend sind die Bilder des Weltuntergangs, von Apokalypse und Offenbarung, die in den Gesprächen der Figuren fast wie beiläufig erörtert werden. Um Bilder im wörtlichen Sinn handelt es sich zumeist hier, die gleich den topographischen Beschreibungen auch Verweischarakter besitzen und die eigentliche Handlung größtenteils ersetzen. Kunst und Kunstdenkmäler im Roman dienen dazu, die Geschichtlichkeit der Menschen in ihrer Landschaft darzutun; zugleich aber erhalten sie „Voraüs- deutcharakter" zum Einbruch des Revolutionären. Die Kunstmaler und Gemälde' spielen eine heimliche Rolle im Werk. So verschiedene Figuren wie Giotto und die „eigentlichen" Präraffaeliten finden Erwähnung, ebenfalls Raffael, Tizian und Rubens, Ruysdael und Hobbema, Turner, die Nazarener einschließlich Cornelius und die englischen Präraffaeliten und nicht zuletzt die wohl aufschlußreichste Künstlergestalt im Sinngefüge des Romans, der Zeitgenosse des späten Fontane, Arnold Böcklin. Die Hinweise auf die alten Kirchen in der Grafschaft und der Mark hingegen stellen, wie früher in Vor dem Sturm, den Zusammenhang zwischen dem modernen Menschen und — ihm oft unbewußt — seiner entfernten Vergangenheit her . 30 Die bildende Kunst dient auch noch dazu, den verschiedenen Charakter der beiden Barbyschen Schwestern zu beleuchten (und Woldemär zu seiner Wahl zu bestimmen ) 31 und ihnen ihren Platz in der inhaltlichen Problematik des Romans zu weisen. Wenn ‘ Melusine also, wie noch ausführlicher zu zeigen sein wird, die Fähigkeit und die Notwen-
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