digkeit der Erneuerung des Menschen vertritt, so Armgard die Beständigkeit und Ruhe im Wandel. Melusine wird also wesensverwandt mit der Meerfrau Böckl-ins dargestellt, während Armgard in ihrer Vorliebe für Edith Schwanenhals somit mit den einst von Fontane so geschätzten englischen Präraffaeliten in einen Zusammenhang gebracht wird. Edith Schwanenhals, Geliebte des Sachsenkönigs Harald, wurde vom französischen Maler Horace Vernet um die Jahrhundertmitte in einem in England hochgeschätzten Bild gemalt. Das Thema war Fontane auch durch das Heineschen Gedicht im Romanzero bekannt; Die Schlacht bei Hastings. Das weitere hier erörterte Bild Sir Isumbras war das Werk Millais, über den Fontane in seinem Bericht über die Mah- chester-Kunstausstellung (1857) ausführlich referiert hat. 32 Hier hat er ihn zusammen mit Holman Hunt als eigentlichen Gründer der Präraffaeliten gefeiert und diese auch als zukunftsträchtige Figuren deuten wollen. „Hier haben wir Keime für die Zukunft", hieß es (Millais' 1850 gegründete Kunstzeitschrift hieß „Der Keim") 33 . Für Fontane waren die Präraffaeliten wesensverwandt mit den ihn stets faszinierenden Dissenters: den Sektierern, „das oppositionsmachende, weiter forschende Element der Gesellschaft, (Welche) der jungen Schule aufmunternd entgegengekommen" (sind), schrieb er im gleichen Artikel im Jahr 1857. „Ich habe keine Dissenters gesprochen, die nicht für Millais und Hunt Partei genommen" 34 . Wenn man diese Stelle im Zusammenhang mit der Diskussion in den Kapiteln 21 und 25 liest, so wird man aufmerksam auf die vielen Stellen im Roman gemacht, die nachdrücklich auf die Englanderfahrungen des Autors der 50er Jahre hinweisen und die zürfi Teil damals Geschriebenes wörtlich wiederholen; hier wird der Zusammenhang mit dem Thema „Gesellschaftserneuerung" evident.
Die Diskussion über Sir Isumbras zeigt Armgard — noch vor der Verlobung — als wesensverwandt mit ihrem gütigen Schwiegervater, der wie Isumbras die Kinder „gern zu sich kommen ließ". Daß die Beständigkeit bei Armgard keineswegs als passiv oder regressiv zu verstehen ist, erweist ihre Vorliebe zu den präraffaelitischen Malern, unter denen „eine große Revolution schien sich anbahnen zu wollen". 35 Beide Pole, Beständigkeit und Wandel, sind in einem dialektischen Spiel aufeinander bezogen. Nach Wrschowitz' Abgang im 25. Kapitel gibt Armgard lachend zu, daß ihre Schwester nun, statt sie zu erziehen, wohl ihrer Erziehungskünste bedürfe, was Melusine durchaus nicht bestreitet.“' Es jst, als ob Armgard die elementare Natur ihrer schönen Schwester in die richtige Bahn lenkt. '
Die Diskussion mit dem Malerprofessor Cujacius ergibt eine weitere Dimension des Bilderkomplexes „Weltuntergang" und „Apokalypse". Der Name Cujacius war Fontane aus Heines Harzreise bekannt, 37 wo dieser als „geheimer Justizrat" die Riesenfrau Themis begleitet, welche mit Schwert und Waagschale die Gerechtigkeit versinnbildlicht. Cujacius ist gekennzeichnet durch den „ihm eigenen Apostelausdruck" analog zu seinem Gegenpol und Widersacher, dem Musikprofessor Wrschowitz, dessen „Doppelausdruck von Künstler und Hus- siten" 33 , diesen auch zu einer Art „Dissenter" abstempelt, trotz des eigenen energischen Protestes. Cujacius will den Präraffaeliten den Rang streitig machen, und zwar zugunsten des Nazareners, des in Fontanes Jugendzeit vielgefeierten Historienmalers Peter Cornelius. Nach seiner Berufung 1840 durch
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