Friedrich Wilhelm IV. nach Berlin verfertigte Cornelius 1845—1846 die Kartons Das Jüngste Gericht, als Vorstudie zu den Fresken der Grabstätte der Hohen- zollern im geplanten Berliner Dom. Die Revolution von 1848 verhinderte den Bau des Domes wie auch der Grabstätte. Ein halbes Jahrhundert später (1894) nahm Wilhelm II. das Projekt wieder in Angriff, und der Dom war gerade im Bau, als Fontane am Stechlin arbeitete. In seinem Nachruf auf Cornelius, der 1867 in der Kreuzzeitung erschien, erkannte Fontane die Wirkung Cornelius' auf seine Generation: durch „seine seitdem so berühmt gewordenen Kartons für das Camposante. Wem ständen die .Apokalyptischen Reiter' nicht vor Augen? Wessen Herz hätten sie nicht erschüttert?" 39
So bringt Cujacius' leidenschaftliches Einschreiten für Cornelius und besonders der einen Gestalt des Tubabläsers als Vorkünder des Kommenden diesen in einen Zusammenhang sowohl mit Revolution als auch mit Weltuntergang. „Auf dem Karton steht im Vordergrund ein Tubabläser und setzt das Horn an den Mund, um zu Gericht zu rufen", berichtet er, „und eben diese Kartons, samt dem Bläser zum Gericht, die wollen sie jetzt fortschaffen und sagen dabei in naiver Effronterie, solch schwarzes Zeug mit Kohlenstrichen dürfe überhaupt nicht soviel Raum einnehmen!" Der Erzähler fährt fort: „Alles nickte, selbst die, die nicht so dachten, denn der Alte mit seinem Apostelkopf hatte ganz wie ein Prophet gesprochen. Nur Melusine blieb in einer stillen Opposition und flüsterte der Baronin zu: .Tubabläser. Mir persönlich ist die Böcklinsche Meerfrau mit Fischleib lieber. Ich bin freilich Partei'"/' 0 Die Gegenwart, insistiert Cujacius, sei „diese jetzt etablierte Niedergangsepoche . . . diese Zeit des Abfalls, so recht eigentlich eine Zeit der Apokalyptischen Reiter." Katharina Mommsens Ansicht, „die apokalyptischen Geschichten des Professors wollte Fontane als ernsthaft zu bedenkende möglichst stehenlassen" /|11 , ist durchaus zu bestätigen. Eine geheime Verbindung führt von Cujacius und Cornelius zu jenem merkwürdigen Gespräch im 37. Kapitel zwischen Dubslav Und seinem Hausarzt Sponholz, der gerade in die Schweiz zur Kur reist. Da ist von der „Via Mala" auf dem Weg „ins gelobte Land" (Italien) die Rede. Dubslav beschreibt das Bild, „von einem berühmten Malermenschen", das er mal in Dresden gesehen habe, eben Die Drachenschlucht von Böcklin (etwa 1870)/‘ 2 Er beschreibt den noch lebendigen Eindruck, den es auf ihn gemacht hat und gibt die Details auch wieder, wie der Felsen sich auftut und mitten in seinen gewöhnlichen Tag hinein „ein richt'ger Lindwurm oder so was Ähnliches aus der sogenannten Zeit der Saurier, also weit zurück, daß selbst der älteste Adel (die Stechline mit eingeschlossen) nicht dagegen ankann, und dies Biest, als der herankommende Zug eben den Fluß passieren wollte, war mit seinem aufgesperrten Rachen bis dicht an die Menschen und die Brücke heran". „Mir stand", versichert Dubslav, „als ich das sah, der Atem still, weil ich deutlich fühlte, nur noch einen Augenblick, dann schnappt er zu, und die ganze Bescherung ist weg"/' 3 Auch das in seiner Art ein Weltuntergang.
Es geht wiederum von dieser Stelle eine Verbindung zurück auf Melusine, die im 21. Kapitel am Ende des Gesprächs über die Apokalyptischen Reiter von Cornelius „in einer stillen Opposition" die Böcklinsche Meerfrau (wahrscheinlich Meeresstille, 1887) hervorhebt. Aber der Verweis ist noch versteckter, als er auf den ersten Blick erscheint: Cujacius machte darauf aufmerksam — irrtümlich —, daß es bei Cornelius nur drei Reiter gebe. „Bloß zu den dreien.
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