die der große Meister uns da geschaffen hat, ist heutzutage noch ein vierter Reiter gekommen, ein Mischling von Neid und Ungeschmack. Und dieser vierte sichelt am stärkten.Das stimmt jedoch nicht. Cornelius hatte vier gemalt. Aber Böcklin hatte 1896—1898 zwei Bilder mit dem Titel Krieg gemalt, das erste, in Dresden 1896 mit vier Reitern, die über eine italienische Stadt hinreiten, eines aus dem Jahre 1898 (in Zürich) mit nur drei, die über eine deutsche Stadt hinreiten. Das zweite Bild ist nach einer Reise im Sommer 1896 nach Nürnberg als Tuschezeichnung verfertigt, das Bild war jedoch bis 1898 noch in Arbeit. Im gleichen Jahr wurde das Bild Die Pest vollendet, das einen vierten Reiter mit Todesantlitz darstellt, auf einer grünlich-grauen Reptiliengestalt sitzend, „ein rieht'ger Lindwurm", und dieser vierte Reiter, der mit einer Sichel in den Händen durch die Straße einer stillen Stadt hinfegt, bringt allen den Tod. Ob Fontane dieses Bild nun tatsächlich kannte? Auf alle Fälle sichelt nun dieser vierte apokalyptische Reiter am stärksten.
Es sind auch andere Hinweise auf Revolution, Offenbarung und Apokalypse, sowohl an wichtigen wie auch an entlegenen Stellen des Romans, keiner von ihnen allerdings von der Anschaulichkeit jener Szenen. So erzählt etwa die Domina von ihrer einfältigen Konventualin, der Schmargendorf, die nach einem abendlichen Gespräch mit Rentmeister Fix, wo dieser aus Berlin kommend von der Notwendigkeit der „Umwertung" der „Werte" sprach und der guten Dame eine schlaflose Nacht verursachte. Am Morgen sei sie eingeschlafen und gewahrte im Traum „einen Engel, der mich mit seinem Flammenfinger immer auf ein Buch wies und in dem Buch auf eine und dieselbe Stelle". Auch Adelheid selber spricht von Melusine „wie 'ne Offenbarung. Und sie ist auch so was. Darüber is kein Zweifel. Aber wovon
Eine merkwürdige Spannung besteht in diesem Werk zwischen dem heiteren und gemütlichen Ton der meisten Gespräche und Erzählerberichte und den insistierenden Verweisen auf Tod, Zerstörung, Revolution und Untergang. Eine ähnliche Botschaft scheint die Anekdote zu vermitteln, die Gundermann mit charakteristischer Geschmacklosigkeit in der Tafelrede im 20. Kapitel bietet, von der Berliner Madam und ihrem „Dat kommt davon" ,,, oder noch eindringlicher in der befremdlichen Anekdote Rektor Thormeyers von der Blutsühne der siamesischen Prinzessin, deren reinigendes Büffelblut vorausdeutende Funktion zu haben scheint. (In der Greeleyepisode hingegen, von Lorenzen erzählt, wo von der Hinrichtung eines Selbstsüchtigen durch seine Kameraden die Rede ist, deren Leben durch seine Tat gefährdet wird, wird ein Akt kalter Berechnung berichtet, kein revolutionäres Naturereignis.) Es handelt sich überhaupt hier, analog zur Technik Fontanes in Effi Briest, wenn in anderer Form, um eine versteckte Symbolik, die zweierlei aussagt: zum einen soll sie die große Verunsicherung der Menschen am Ende eines folgenschweren Jahrhunderts vermitteln. Fontanes langjährige Arbeit an den Likedeelern wird ihn sicherlich mit den millenarischen Vorstellungen in der europäischen Geschichte vertraut gemacht haben, die mit dem Utopiedenken jener und ähnlicher Bewegungen im Volk nah verwandt sind. Zum anderen soll sie den Untergang der „petrifakten" feudalen Ordnung markieren, dessen Ende schrecklich sein könnte, jedoch zugleich die Möglichkeit erwägen, daß eine neue, der modernen Welt gemäßere Lebensweise und gesellschaftliche Ordnung auch auf friedlichem, vernünftigem Weg entstehen könne.
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