Wuthenow" erinnert. Gleichwohl bleibt selbst von solch einem Standpunkt aus noch die Frage, wie es. mit dem, was Fontane im Hinblick auf .seine letzten Romane „politisch" genannt hat, beschaffen sei, wobei auch die im Likedeeler^ Entwurf hin und wieder vorkommende Wendung „politisches Gespräch" zur Klärung unserer Frage etwas beitragen wird, zumal manches von diesem Entwurf in den „Stechlin" eingegangen ist.
Wenn man bedenkt, daß dieser letzte Roman, wie der oben zitierte Brief Fom tanes andeutet, in der Grafschaft Ruppin spielt, d. h. in der Mitte der Mark Brandenburg, dem Herzen Preußens, daß also der Autor nach einer langen schriftstellerischen Schaffenszeit wie zu deren Zusammenfassung nach seinem Heimatort zurückgekehrt ist, dann tritt von neuem das Summe-Sein des „Stechlin" hervor. Uns scheint aber auch die Lokalisierung, mit der Fontane das Schloß des Helden nicht in der Mitte als solcher, sondern etwas abseits im „Ruppiner Winkel" liegen läßt und noch dazu die Familie des weitgereisten Botschaftsrates — dem Stechlinkreis nicht nur gegenüberstehend, sondern ihn auch ergänzend 23 — im immer weltstädtischer werdenden Berlin' ansässig macht, bei der Erwägung des dem „Stechlin" eigenen politischen Wesens sehr ins Gewicht zu fallen. Außerdem liegt in der Mitte dieses zentralen Schauplatzes als Versinnbildlichung des Themas unseres Romans 24 eben der Stechlin 25 , ein See, der bei all seiner Einsamkeit und Stille, wie es heißt, auf jedes Ereignis im entferntesten Ort der Welt reagiere.
Nebenbei bemerkt ist Berlins Doppelseitigkeit, die darauf beruht, daß es damals zugleich eine märkische Stadt und eine Weltstadt war, bereits in anderem Zusammenhang („Berlins Bedeutung für Fontane"’. In i'ASPEKT 10, 11, herausgegeben von Germanistischen Seminar der Rikkyo-Universtät Tokyo) ausführlich erläutert worden, und ebenso ist darauf hingewiesen Worden, daß Fontanes Romane gerade dann einen größeren Umfang, annehmen, wenn sie sowohl in Berlin als auch in der Mark spielen. . 1
Wie oben gezeigt, sind im „Stechlin" einerseits diese beiden Örtlichkeiten gewählt, die einander gegenüberstehen und sich zugleich ergänzen, andererseits ist das Werk sozusagen dadurch entstanden, daß verschiedene Personen, die zu den beiden Kreisen gehören, Gott und die Welt 2 *’ durchsprechen.'-Daß also hier das Wort „politisch" nicht im engen Sinne auszulegen ist, versteht sich von selbst. Dürfen wir ferner nicht hinzufügen, daß sich im ganzen Roman, einschließlich des Wahlaktes, alle die Auseinandersetzungen zwischen Altem und Neuem im anbrechenden wilhelminischen Zeitalter, mit anderen Worten, alle die Fragen nach dem Gegebenen und dem Werdenden in der preußischdeutschen Wirklichkeit auf das Wort „politisch" konzentrieren? Es gibt denn auch Fontane-Forscher, nach denen Fontane die Geschichte als Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen Altem und Neuem begriffen habe. 27 . Dabei ist wohl in solcher Geschichtsauffassung die Eigentümlichkeit -der. bewegten Zeitenwende, der das neue Jahrhundert bevorsteht, nicht schwer herauszufühlen.
Nach dem Gesagten fast schon selbstverständlich, verwirklichen sich, diese Auseinandersetzungen weder in den Taten der Personen noch.in ihren Wechselwirkungen, sondern eben in „Plaudereien, Dialogen", die im Werk hintereinander gesponnen werden. Solche sprachlichen Vorgänge wird man, von den jeweiligen Äußerungen der Hauptfiguren bis zu den Wörtchen der Neben-
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