Heft 
(1987) 43
Seite
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figuren, zu denen auch Diener und Dienerinnen (wie Heldwig) zählen, fast unzählige finden können; machen sie doch zusammen den dichterischen Gehalt desStechlin'' aus. Da vor allen anderen das Gespräch zwischen Melusine und Lorenzen im 29. Kapitel und dasjenige zwischen Dubslav und Lorenzen im 41. Kapitel in diesem Sinne hervorragend sind, wollen wir sie hier zum Teil zitieren.

Aus dem 29. Kapitel 28 ;

Melusine: ... Ich respektiere das Gegebene. Daneben aber freilich auch das Werdende, denn eben dies Werdende wird über kurz oder lang abermals ein Gegebenes sein. Alles Alte, soweit es Anspruch darauf hat, sollen wir lieben, aber für das Neue sollen wir recht eigentlich leben. Und vor allem sollen wir, wie der Stechlin uns lehrt, den großen Zusammenhang der Dinge nie ver­gessen. Sich abschließen heißt sich einmauern, und sich einmauern ist Tod. . ." Lorenzen: ... Ich lebe darin und empfind es als eine Gnade, da, wo das Alte versagt, ganz in einem Neuen aufzugehn. Um ein solches .Neues' handelt es sich. Ob ein solches .Neues' sein soll (weil es sein muß), oder ob es nicht sein soll, um diese Frage dreht sich alles. [...] Wohl möglich, daß aristokratische Tage mal wiederkehren, vorläufig, wohin wir sehen, stehen wir im Zeichen einer demokratischen Weltanschauung. Eine neue Zeit bricht an. Ich glaube, eine bessere und glücklichere. Aber wenn auch nicht eine glücklichere, so doch mindestens eine Zeit mit mehr Sauerstoff in der Luft, eine Zeit, in der wir besser atmen können. Und je freier man atmet, je mehr lebt man ..."

Aus dem 41. Kapitel 29 ;

Dubslav: .. . Besinnt er (Woldemar) sich, und kommt er zu der Ansicht, daß das alte Preußen mit König und Armee, trotz all seiner Gebresten und altmo­dischen Geschichten, doch immer noch besser ist als das vom neuesten Datum, und daß wir Alten vom Cremmer Damm und von Fehrbellin her, auch wenn es uns selber schlecht geht, immer noch mehr Herz für die Torgelowschen im Leibe haben als alle Torgelows zusammengenommen, kommt es zu solcher Rückbekehrung, dann, Lorenzen, stören Sie diesen Prozeß nicht..." Lorenzen: . .. Nicht ich werde ihn führen. Dafür ist gesorgt. Die Zeit wird sprechen, und neben der Zeit das neue Haus, die blasse junge Frau und viel­leicht auch die schöne Melusine."

An dem Punkt, wo wir jetzt sind, wird wahrscheinlich niemand mehr glauben, daß das Schema von dem Junkertum als Altem, dessen Vertreter Dubslav von Stechlin, Graf Barby und andere sind, und der Sozialdemokratie und dem diese unterstützenden vierten Stand als Neuem hier ohne weiteres gelten könnte. Zwar war dieses Schema für die damalige Situation nicht ohne jede Gültig­keit 30 , aber dennoch konnte sich Fontane nicht mit einer so seichten Erkennt­nis von Mensch und Gesellschaft zufriedengeben und danach seine Personen klassifizieren mit Ausnahme von etlichen Randfiguren. Außer in den oben zitierten Worten Dubslavs findet man das auch in einem Brief Fontanes bestätigt, wo er sagt, daß er mehreinem veredelten Bebel- oder Stöckertum" zuneige (an Friedrich Paulsen, 29. 11. 1897). 31 Das Wesen des Alten und Neuen, das in der Zeitströmung strudelt und aufeinanderstößt, läßt so eine simple Schematisierung nicht zu.

Also können wir Petersens Behauptung 32 , daß Fontane ursprünglich die Bildung Woldemars von Stechlin zu einem Adel, wie er sein sollte, habe gestalten wol-

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