den Erwartungshorizont des anglo-amerikanischen Lesers. Das heißt, ein so im preußisch-deutschen Kulturraum heimischer Roman wie Schach bildet wohl doch nicht den bestmöglichen Einstieg in das Werk Fontanes, vor allem nicht, wenn jedwede Anmerkungen fehlen und die Übersetzung ebenfalls nur wenige integrierte Verständnishilfen vermittelt. Für englischsprachige Literaturforscher und -kritiker insbesondere wären solche Lektürehilfen nicht nur wünschenswert, sondern notwendig. Und gerade für sie wäre auch eine ausgezeichnete Übersetzungsqualität angebracht, damit sie wirklich Fontanes Sprachkunst zu rezipieren und somit zu würdigen und einzuschätzen wissen. Ansonsten wird der deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts und insbesondere dem deutschen Roman das leidige Etikett des Mittelmäßigen und weltliterarisch Unbedeutenden unverdienterweise noch länger erhalten bleiben. Trotzdem, um dies nochmals hervorzuheben, stellt dieser Band einen lohnenden Anfang dar, bei dem es hoffentlich nicht bleibt. Möge dem anglophilen deutschen Autor bald auch ein dankbares Fontane-philes anglo-amerikanisches Lesepublikum erwachsen! Ob dies bis zu seinem hundertsten Todestag wohl endlich der Fall sein wird?
1 Seitenzahlen beziehen sich auf folgende Ausgabe: Theodor Fontane. Romane und Erzählungen in acht Bänden. Hrsg. Peter Goldammer, Gotthard Erler, Anita Golz und Jürgen Jahn. Bd. 3 und 6. 3. Aufl. Berlin: Aufbau-Verlag, 1984. »Der achtzehnte März“ ist enthalten in: Theodor Fontane. Autobiographische Schriften. Hrsg. Gotthard Erler, Peter Goldammer und Joachim Krueger. Bd. II. 1. Aufl. Berlin: Aufbau-Verlag, 1982
2 Natürlich entgehen dem englischsprachigen Leser auch alle fein ironischen oder karikaturistischen Anspielungen, die in den Personennamen enthalten sind.
3 Man hätte dialektsprachliche Elemente z. B. durch entsprechende englische Dialektformen wiedergeben können; natürlich nicht wissenschaftlich genau, sondern künstlerisch frei, wie es ja auch Fontanes Intention und Erfahrung mit Dialekt„experten" entspricht.
Wolfgang Paulsen (Menlo Park, Kalifornien)
Warum ausgerechnet „Nimptsch?“
Es heißt, es gäbe Fälle, in denen man den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen könne, aber auch das Gegenteil kann der Fall sein. In der Fontane-Forschung haben wir einen solchen Fall vor uns, wenn wir uns fragen, warum Fontane in Irrungen, Wirrungen seiner so ganz unliterarisch veranlagten Lene — ein Name, in dem man, ohne seine Phantasie zu überanstrengen, bereits eine Abwandlung des Namens Lenau sehen könnte — einen so sonderbaren Nachnamen mit auf den Weg gegeben hat. Sicher nicht, um der späteren Frau ihres Geliebten die Gelegenheit zu geben, sich eines Tages, wenn sie Lenes Hochzeitsanzeige in der Zeitung liest, über die Komik des Namens auf ihre alberne Weise zu amüsieren. Oder hatte Fontane vielleicht schon selbst einmal diesen
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