Heft 
(1987) 43
Seite
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mit dem ,schönen Backfisch' hat er in diesem Brief schon die zu erwartende innere Distanz gewonnen, um dem ehemaligen ,Schmerz' nun auch seine komische Seite abzugewinnen. Abgesehen von dem ersten seiner Liebes­gedichte, dem an das Mädchen selbst gerichtetenDer Bach und der Mond"'*, geht es bereits in allen folgenden um den für solche Lyrik immer schon höchst fruchtbar gewesenen Schmerz, um den Verlust des .untreuen Mädchens', und das unverkennbar im Lenauschen Tonfall, wie etwa, um nur ein Beispiel zu geben, in dieser Strophe aus dem GedichtTrost":

Ich will, ich kann es nimmer fassen.

Daß Vanda treulos von mir schied;

Wie durfte sie mich nur verlassen,

Entpressen mir dies Schmerzenslied!

O weh, die Lippe hat gelogen.

Wenn ihre Worte mich beglückt.

Die Augen haben mich betrogen.

Wenn sie mich liebend angeblickt. 5

In demnicht allzuberühmten Gedicht .Die Strandbuche'" ist es ihm dann schon gelungen, das Liebes- mit dem Todesmotiv in ein symbolträchtiges Bild zu bringen, während er in der Folge die alte Wunde meist erst wieder auf­zureißen hat, um in seinem Schmerz schwelgen zu können, bis er dann Ende 1840, vor seinem Abgang nach Burg, von seinerkerkergleichen Zelle" in Berlin mit seinem GedichtAbschied" Abschied nimmt:

Hab' in diesen öden Mauern Einen Engel eingebüfjt,

Dessen Trost der Seele Trauern Alle Schmerzen mir versüßt;

Hab' umsonst in schweren Tagen Heiß erfleht ein liebend Herz,

Meinen Kummer mitzutragen,

Und zu lindern meinen Schmerz.

Aber heute, wo die Kette Die mich fesselte, zerriß,

Scheid' ich von der Leidensstätte Traurig wie vom Paradies. 6

Das ist Lenau, wie er im Buche steht, ein Abschied aber nicht nur von der Leidensstätte", sondern von Lenau selbst. Der hatte ihm als Lyriker gegeben, was er ihm zu geben hatte, so daß man sagen könnte, er habe sich an ihm in der lyrischen Sprache, die er in der Folge nun auch mit anderen Inhalten befrachten konnte, einexerziert. Ahnungsvoll, wenn auch anders gemeint, hatte es schon ein Jahr vorher geheißen;All sein Hoffen, all sein Lieben" warveränderungshalber (Fontanes Unterstreichung) mir geraubt." (ebd, 624) In Leipzig wird er dann die gewonnene Fertigkeit in der lyrischen Aussage in den Dienst des Freiheitskampfes stellen. Bedenkt man aber, was er hier und in Dresden dann auf privater Ebene erlebt hat, ist es immerhin nicht so ganz selbstverständlich, daß sich unter der Fülle der Gedichte nicht ein ein­ziges sich auch nur entfernt mit dem Thema .Liebe' befassendes Gedicht mehr findet. Wie ist das mit der Nachricht zu vereinbaren, die er, wie er am 1. März 1949 seinem Freunde Lepel berichtete, soeben aus Desden erhalten hatte und

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