Heft 
(1987) 43
Seite
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ihm mitteilte es sei diesEnthüllung II" daß er nunzum zweiten Male unglückseliger Vater eines illegitimen Sprößlings" sei. Seine Kinder fräßen ihmdie Haare vom Kopf, eh die Welt weiß, daß ich überhaupt welche habe" Kinder doch offenbar und nicht Haare. Man versteht nur allzu gut, daß Fontanes Sohn Friedrich, im Sinne der Familie, diesen Brief während seines Lebens nicht zum Druck freigegeben hatte: er fehlt in der Petersenschen Aus­gabe des Fontane-Lepelschen Briefwechsels bekanntlich. Hatte am Ende seine Mutter bereits ihreBrautbriefe" nach Fontanes Tod vernichtet, weil es da Dinge zu lesen gab, die sie der Nachwelt vorzuenthalten wünschte? Die Fon­tane-Forschung hat sich wenig Mühe gegeben, auf diese ,dunkle Seite' in Fontanes Leben einiges Licht zu werfen. Hat sich jemals jemand um diese beiden illegitimen Kinder gekümmert? Es könnte mir entgangen sein.

Diese illegitimen Kinder aber bringen uns nun wieder zu Lenaus Brief an seinen Freund und zu den von ihm bald darauf gemachten Entdeckungen, von denen man sich denken kann, wie sie auf ihn gewirkt haben müssen. Zieht man Fontanes diesbezügliche Jugenderlebnisse, erst mit Minna und dann in Leipzig, zusammen, glaubt man zu verstehen, was es mit Lenes Nachnamen auf sich hat. Minna war zwar nicht wie sie ein einfaches Mädchen aus dem Volk, aber sie verkörperte für Fontane doch das Symptomatische solcher Jugenderlebnisse, während die den Schmerz bereitende .Untreue' nun auf den Mann verschoben wird, dem sie ja ursächlich auch schon gebührt. Lenaus Brief an seinen Freund hatte ihm das tragische Potential solcher Erlebnisse vor Augen geführt, dessen es im Falle Lenes, da man sich immerhin in guter Gesellschaft befand, nicht mehr bedurfte. Was sie aber erleben sollte, berief für ihn wieder die Erinnerung an seine Jugendliebe und an den Dichter, der sie für ihn .verklärt' hatte. Lene ist gewiß nicht Minna, aber doch der Aichetyp des Weiblichen und als solcher .unvergeßlich' und .unwiederbringlich'.

Anmerkungen

1 Erläuterungen und Dokumente: Theodor Fontane, Irrungen, Wirrungen, hg. von Frederick Betz, Stuttgart 1979, S. 10.

2 Nikolaus Lenau, Sämtliche Werke. Briefe, hg. von Hermann Engelhard, Stuttgart 1959, S. 958.

3 Theodor Fontane, Briefe, 1. Bd, hg. von Otto Drude und Helmuth Nürnberger, München: Hanser, 1976, S. 181.

4 Theodor Fontane, Sämtliche Romane, Erzählungen, Gedichte, Nachgelassenes, 6. Bd, hg. von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger, München: Hanser, S. 595 f.

5 Ebd., S. 605.

6 Ebd., S. 660 f.

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