Heft 
(1987) 43
Seite
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lament und Parlamentarismus z. B. betreffend), daß auch mit diesem verglei­chenden Beitrag frühere Einschätzungen von Charlotte Jolles bestätigt und weiterführende Aspekte insofern gewonnen wurden, als man nun sehen kann, welche Seiten des Landes und seiner Entwicklung Fontane nicht sah oder sehen wolltevjjPie Rückwendung beider Journalisten nach Deutschland geschieht schließlich unter völlig verschiedenen Zeichen. Freilich war Bücher der politisch Weitsichtigere, und unser aller Bild von Fontanes Zeitgenossen wird um wich­tige Positionen (und damit wiederum andere Möglichkeiten für bürgerliche Demokraten unter bestimmten Bedingungen) ausgeweitet. Die Fontane-Biografie jetzt erneut im Lichte der Bismarck-Biografie zu lesen, ist möglich und mehr als wünschenswert (E. Engelsbergs Arbeit liegt seit 1985 vor).

Ein besonderes Kapitel Wirkungsgeschichte beschrieb Hans Ester, indem er Paul Schlenthers Artikel und Aufsätze über Fontane untersuchte.

Schlenthers Herausgebertätigkeit ist bekannt. Sie hat die Fontane-Rezeption am Beginn des 20. Jh. wesentlich bestimmt. Zugleich öffnet sich über ihn ein weiter Horizont nicht nur zu Otto Brahm, Gerhart Hauptmann, auch zu Julius Roden­berg (mit dem er und Erich Schmidt jahrelang befreundet waren) er schrieb und beherrschte die literarische Meinung bei derNation", derVossin",Tri­büne" und nicht zuletzt auch zeitweilig imMagazin für die Litteratur" so, daß andere Berliner Kritiker (wie etwa Bleibtreu) von derSchlenthei-Clique" sprachen. Umso bemerkenswerter ist Esters Nachweis, der die Korrespondenz mit Fontane neu ordnen und edieren will (mit unveröffentlichtem Material aus dem Potsdamer Fontane-Archiv), daß der Kontakt zwischen Schlenther und Fon­tane für beide Seiten produktiv wurde. Der Jüngere hat nicht nur das Ver­dienst, den Älteren auf neue Entwicklungen aufmerksam gemacht zu haben, Fontane, so Ester, habe auch für Schlenthers Literaturauffassung wichtige Bausteine geliefert. Indem in diese Beziehung die spätere Arbeit für die Nach­laßkommission einbezogen werden kann (wofür die Verlagsunterlagen von Friedrich Fontane zur Verfügung stehen), läßt sich nach Meinung des Refe­renten noch mancher Aufschluß über dasorganisierte" literarische Leben zu Fontanes Zeit und in den Jahren nach seinem Tode erwarten.

Vom Theatermann Paul Schlenther (späterem Theaterdirektor in Wien) ließ sich der Bogen zum Theaterkritiker Fontane leicht spannen. Jörg Thunecke ging neue Wege, indem er Fontanes Aufsätzen über bestimmte Stücke die Rezensionen seiner Kollegen Adami (Kreuzzeitung) und Frenzei (National­zeitung) gcgenüberstellte. Freilich engte die von Thunecke vorgenommene Einschränkung auf vorwiegend stilistische Gesichtspunkte den Radius der Aus­sagen ein, da aber Referent die enorme Fülle seines Vergleichsmaterials weiter auswerten will, darf man auf theaterhistorische Einblicke von besonderem Interesse hoffen. John Osborne ortete Fontanes Platz innerhalb der Geschichte des deutschen Theaters im 19. Jh. von einem speziellen Punkt aus. Fontanes Ansichten über dieMeininger" bildeten den Bezugspunkt für sehr interessante interdisziplinäre; Fragen, wie sie im Thema genannt sind. Auch hier konnte der Blick von Fontane weg auf größere Zusammenhänge gerichtet werden, die die noch bei Tucholsky anzutreffende geschmäcklerische Wertung überwinden hilft. Zum Abschluß .der Tagung wurden die stärker historischen und biografie­geschichtlichen Fragen noch einmal auf die editorischen Grundprobleme unserer Forschungen zurückgeführt. . .

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