interdisziplinär orientierter Forschungsmethoden: „Die Fruchtbarkeit einer wissenschaftlichen Kooperation, bei der die verschiedenen Disziplinen ihre Ergebnisse einander zur Verfügung stellen, im übrigen jedoch abweichenden Theorien und Methoden folgen, ist begrenzt." (S. 12) Im Anschluß an das von der Kritischen Theorie entwickelte materialistische funktionale Modell fordert Hohendahl einen Institutionsbegriff auf der Grundlage einer Theorie, „die die Institution Literatur . .. gesamtgesellschaftlich erklären kann" (S. 45), und er ordnet der Institution Literatur die mit ihr zusammenhängenden Subinstitutionen zu, die ihrerseits die Literatur mit anderen Institutionen verbinden, d. h. über die Literaturkritik mit der Presse, über die Literaturgeschichte mit den Universitäten und Schulen, über die Literaturtheorie mit den Universitäten. Dieses Modell, mit dem es ihm gelingt, das multikausale Beziehungsgefüge gesellschaftlicher Prozesse aufzuschlüsseln, dient zur Erkundung von Strukturen des literarischen Lebens zwischen 1830 und 1870. Eine wichtige Voraussetzung dafür bietet die in den ersten zwei Kapiteln gelieferte Beschreibung bürgerlicher liberaler Öffentlichkeit und ihrer Kritik durch repräsentative Vertreter der verschiedenen politischen Gruppierungen. Ausführlich werden die Veränderungen liberalen Denkens untersucht, die sich nach der gescheiterten Revolution vor allem in einem reduzierten Geltungsanspruch solcher Positionen nachweisen lassen. Entsprach es im Vorfeld der Revolution noch der Tradition des deutschen Frühliberalismus und dem klassischen Konzept von Öffentlichkeit, wenn sich im Zeichen des Liberalismus die wesentlichen politischen Hauptgruppierungen vereinen konnten, verringert sich durch Revolutionsausgang, industriellen Aufschwung und die dadurch beschleunigten politischen und sozialen Polarisierungen der Kompetenzbereich liberaler Ansprüche an die Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Daß es nicht zur Entfaltung einer „liberalen modernen Gesellschaft" gekommen ist, werde im allgemeinen (auch in der Geschichtswissenschaft der DDR) „auf ein Versagen des deutschen Bürgertums zurückgeführt" (S. 67). Hohendahl behauptet: „Diesen Positionen ist gemein, daß sie den historischen Prozeß aus dem Klassenbewußtsein ableiten." (S. 67). In diesem Zusammenhang verweist er auf Arbeiten von Anette Leppert-Fögen und Michael Gugel als bemerkenswerte Versuche, „die ideologischen Veränderungen als Folgen des Kapitalisierungsprozesses auszuweisen. Es geht ihnen nicht darum, die Behinderung des Liberalismus durch die konservativen Kräfte zu verfolgen, sondern darum, die Veränderungen des Liberalismus im Zusammenhang mit der Industrialisierung zu begreifen" (S. 67). Vor diesem Hintergrund erhalten die bürgerlichen Kompromisse bei Hohendahl eine andere Bedeutung, nämlich „als stringente Ergebnisse der bürgerlichen Interessen" (S. 67). In den folgenden sechs Kapiteln untersucht er die interinstitutionellen Zusammenhänge und ihre Entwicklung vor dem Hintergrund der strukturellen Veränderungen in der Öffentlichkeit, d. h. für diesen Zeitraum vor dem Hintergrund der sich tendenziell verschränkenden Bereiche Staat und Gesellschaft, die sich im Konzept der klassischen Öffentlichkeit gegenüberstanden, Zunächst steht hier die grundlegende Frage, „ob das Jahr 1848 für die Institution Literatur einen Bruch oder eine signifikante Wende darstellt, ob mit anderen Worten das Scheitern der bürgerlichen Revolution nicht nur auf einzelne Schriftsteller und ihre Werke, sondern auf die Institutionalisierung einen bestimmten Einfluß gehabt hat" (S. 121). Hohendahls
585