Issue 
(1897) 13
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Ueöer Land und Weer.

andre an der Hosennaht, den Blick auf seinen Herrn gerichtet. Der hatte die Davidis Zur Hand genommen und las:Acht frische Eier, ein gehäufter Eßlöffel Stärke oder feinstes Mehl"

Jawohl, Herr Hauptmann!"

Ein viertel Liter warme, mit etwas Wasser ver­mischte Milch, Muskatblüte und Salz. Hände rein?"

Jawohl, Herr Hauptmann!"

Der Bursche schlug die Eier in die Schüssel, mengte alles durcheinander, und der Hauptmann las weiter:Dies wird tüchtig geschlagen aber nicht, daß die Schüssel wieder entzwei geht!"

Dann wurde der Teig mit aller Vorsicht ans die Pfanne mit Butter gegeben, und Herr und Diener blieben vor dem Herd stehen, bis die Omelette oben trocken war.

Weg damit," kommandierte der Hauptmann, und auf eine längliche Schüssel anrichten!"

Wir haben nur eine rundliche, Herr Haupts mann," sagte der Bursche.

Das ist wieder Ihre verdammte Nachlässigkeit; wie oft habe ich schon gesagt, alles anschaffen, was zu einem Gericht nötig ist, denn beim Kochen gilt wie beim Dienst strengste Pünktlichkeit. Anrichten!"

Zu Befehl, Herr Hauptmann!"

Der Eierkuchen stand auf dem Tisch, ein Teller mit Schinken und ein Glas mit Preiselbeeren kam hinzu. Dumont ließ sich's schmecken und freute sich wie ein Kind über seine Kocherei.

Mensch," sagte er zu dem ihm aufwartenden Burschen,was brauchen Sie denn deutsche Lieder da am Gitter zu singen?"

Ich Hab' nit angefange, 's Mädel war's," sagte der Soldat,sie heißt Theres, Herr Haupt- mann."

So, so!" Der Hauptmann erhob den Finger: Ich bitte mir aus, die Mädchen in der Nachbar­schaft ganz und gar in Ruh' gelassen, ganz und gar!"

Sie macht aber immer ,Pst! Pst!', Herr Hauptmann." ^

Da ist man taub, mein Lieber; überhaupt, wenn man unter Leuten leben muß, die einen nicht leiden können, bleibt nichts andres übrig, als sich durchaus exemplarisch aufzuführen, denn das ärgert sie am meisten. Verstanden?"

Der Bursche bekam den halben Eierkuchen, der ihn allerdings lieblich anduftete, aber er war doch im Zweifel, ob ihm nicht das hübsche Mädel am Ende noch lieber gewesen wäre.

Nach dem Essen, das um zwölf Uhr statt­gesunden, machte sich Dumont fertig zu seinem Besuch in der Familie seines Mietsherrn. Jeanne war vorbereitet; Martelet hatte es verstanden, sie in aller Schnelligkeit zu überzeugen, daß sie den Deutschen unter allen Umständen empfangen müsse ihm zuliebe, denn er habe sich verbürgt: Monsieur Merkle und seine Tochter würden ihn auf das liebenswürdigste ausnehmen.

Wir sind ihm das schuldig," behauptete er, denn er benahm sich auf das taktvollste, trotz der beschämenden Unliebenswürdigkeit des Kapitäns, der sich wie ein deutscher Bär gebärdete. Uebrigens,

der Hauptmann ist auf alles vorbereitet, es braucht nur noch eines Wortes von Ihnen, und er wird das Häuschen verlassen."

So kam's, daß Jeanne bei dem Besuch des deutschen Offiziers Zugegen war; sie wollte dieses Wort sprechen und wartete nur auf den Augenblick, um ihr Anliegen unauffällig an den Mann zu bringen. Sie hörte mit wohlerzogener Aufmerksam­keit der Unterhaltung zwischen ihrem Vater und dem Fremden Zu, dabei die kühlste Zurückhaltung beobachtend, denn er sollte merken, daß man ihn in diesem Hause als Eindringling betrachte, was ihn: aber Zu Jeannes Entrüstung gar nicht einzusallen schien. Völlig unbefangen, als ob sich jemand dafür interessiere, sprach er von seinen: Leben im Elsaß und was er schon alles gesehen; durch dunkle Wälder war er gewandert, hatte halbverfallene Burgen oben im Bergwald bestiegen und an den Ufern einsamer Bergseen gerastet. Jetzt hatte er vor, einer uralten Sage des Elsaß nachzuspüren: man sollte zur Zeit der kürzesten Nächte die Sonne im Westen versinken sehen können, wenn im Osten bereits die neu aufsteigende Sonne über dem Schwarz­wald erscheine.

Monsieur Merkle, der in seinem Leben noch keinen so kuriosen Kauz kennen gelernt wie diesen Deutschen, saß da, die Hände in den Taschen, mit hochgezogenen Brauen und zuckenden Mundwinkeln. Jeanne blickte vor sich hin; es war ihr peinlich, diesen Fremden die Schönheit ihrer Heimat preisen Zu hören.

Als er sich mit der Frage an sie wandte: Wissen Sie nicht, was ein elsässischer Dichter singt,

,Der Schwarzwald, dic Vagcse,

Sie sehn si sründli an;

E nachbarliches Wcsc

Sie sind si zugethan

schoß eine dunkle Glut in ihr Gesicht.

Das ist vorbei," rief sie aus,das ist vorbei; die Trümmer von der Belagerung Straßburgs liegen zwischen Deutschland und dem Elsaß und werden uns ewig scheiden."

Glauben Sie?" meinte der Hauptmann.Ist nicht oben aus den: Turm des Münsters die französische Kanonenkugel von 1678 in steinerner Inschrift verewigt? Sie hat doch auch nicht ver­hindert, daß sich seither die Generationen für gute Franzosen hielten. Lesen Sie doch, was Goethe in ,Wahrheit und Dichtung' über das Elsaß schrieb; damals vollzog sich derselbe Prozeß wie jetzt, nur im umgekehrten Sinne. Ich glaube nicht, daß je etwas Schöneres über das Elsaß geschrieben worden ist. Sie kennen doch Goethe, gnädiges Fräulein?"

Ich habe nie ein deutsches Buch gelesen," gab ihm Jeanne zur Antwort.

Da haben Sie viel nachzuholen. Ich werde Ihnen den Band mit dem Elsaß herüberschicken; erlauben Sie es mir, bitte. Lernen Sie uns Deutsche ein wenig kennen; wir sind nicht so schlimm. Sie werden sogar die Bemerkung machen, daß gar kein besonderer Unterschied herrscht Zwischen den Menschen links und rechts vom Rhein. Mir geht eben ein