Issue 
(1897) 13
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Weber Land und Wcer.

welle bis in die Haarspitzell:Uaräon, mousisur, ja 8uis I'raa^aise."

Sie bemerkte noch den betroffenen Blick des Herrn, eine plötzliche Unsicherheit überkam sie, und wie ein Kind, das man auf einem Unrecht ertappt, floh sie die unzähligen Treppen des Münstertnrms hinab.

Zu Hause angekommen, rüstete sie sich unverzüg­lich für ihre Pariser Reise. So oft noch irgend etwas sie bedrückt oder beunruhigt hatte, im Kloster war ihr durch den Zuspruch ihrer lieben Nonnen immer wieder der Friede gekommen. Das Erlebnis auf dem Turm hatte sie plötzlich zu sich selber ge­bracht, und mit Schrecken sah sie, wohin sie gekommen war durch das Lesen eines verbotenen Buches, durch den Verkehr mit einein Menschell, dessen freie An­sichten so verderblich auf ihren Seelenfrieden gewirkt hatten. Sie wollte beichten, ihren frommen Er­zieherinnen alles sagen und gerne jede Buße auf sich nehmen!

Sie sagte zu den beiden Hausfreunden, die ge­kommen waren, sich von ihr Zn verabschieden:

Ich hoffe zuversichtlich, den Fremden bei meiner Rückkehr nicht mehr vorzufinden."

Martelet versprach:Sie können ohne Sorgen sein, Mademoiselle."

Und als der Kapitän ihm mit vorwurfsvoller Miene Zurief:Sie kehren alle Tage drüben an, und es bleibt immer beim alten" erklärte Martelet:

Wir kommen ans Ziel; ich bitte Sie, Made­moiselle, verbieten Sie ihm, sich in die Sache zu mischen; wir müssen höflich auseinander kommen, und dazu braucht es Zeit. Niemand kann sehnlicher wünschen, diesen Hauptmann nicht nur aus dem Häns­chen, sondern auch aus dem Lande zu haben. Denn, glauben Sie mir, die Deutschen können uns nicht mehr schädigen, als indem sie uns Leute schicken, die unsre natürliche Voreingenommenheit durch ihren Charakter und Herzeilstakt zu überwinden verstehen."

Wenn diese Herren Eroberer", fuhr Martelet fort,dahersteigen wie die Hähne und uns aus jedem Wort, aus jedem Blick ihre Uebermacht fühlen lassen dann find sie nicht gefährlich, sondern helfen nur, den Haß in uns zu befestigen. Der Kapitän meint natürlich, ich sitze bloß da drüben, um mich zu amüsieren gewiß amüsiere ich mich ganz außer­ordentlich ! Ihr Bijou, mein Lieber, ist gewöhnlich ich dabei und erträgt sogar Bichettes Gegenwart,

nlit Vorliebe auf des Hauptmanns Schulter sitzt. Und was das merkwürdigste ist, dieser Mensch geht mit seinen Bienen um, als habe er in seinem ganzen Leben mit solchen Tierchen zu thnn gehabt. Ich soll den ersten Topf Honig bekommen. Und Sträuße schenkt er mir, dick wie ein Kinderkopf, und gebunden in ganz Frankreich wäre nichts Aehnliches aufzutreiben. Aber wenn er mir diese Ungeheuer mit seinem ehrlichen Blick überreicht, ich könnte ihm um den Hals fallen."

Wie," ries der Kapitän ans,und Sie wollen behaupten"

Gewiß," unterbrach ihn Martelet,ich behaupte,

daß ich trotz dieses äußerlichen Einvernehmens keinen Augenblick mein Ziel aus dem Auge lasse."

In acht Tageil bin ich von Paris zurück," rief ihm Jeanne nach.

Und Martelet lachte mit der Zuversichtlichkeit eines Menschen, der seiner Sache gewiß ist.

Der Kapitän saß an seinem Feilster und be­obachtete das Aus- und Eingehen seines Freundes im Nachbarhäuschen; er blieb jetzt ganze Stunden darin, und ein Tag um den andern verging, der Hauptmann war noch immer da.

Endlich, am Abend vor Jeannes Ankunft, machte der Kapitän sich auf den Weg zu seinem Freunde Martelet.

Mein Gott", empfing ihn dieser,was bringen Sie mir wieder für ein Gesicht. Wirklich, mein Lieber, Sie thnn mir aufrichtig leid, daß Sie dem Leben so wenig heitere Seiten abzugewinnen verstehen!"

Der Kapitän, der sehr geladen war, ging gleich auf sein Ziel los:

Der Hauptmann ist noch immer da."

Nun ja, wozu eine Sache übereileil?"

Uebereilen! Wenn Sie stundenlang bei diesem Hauptmann bleiben, so hätten Sie doch Zeit."

Wir reden nicht, mein Lieber, wir lesen; der junge Mann hat mich gebeten, ihm jemand zu nennen, mit dem er Französisch treiben könne."

Und da haben Sie sich allgeboten?"

Natürlich!"

Da hört alles auf! Sagen Sie nichts unterbrechen Sie mich nicht ich muß einmal reden ich muß Ihnen einmal sagen, was ich auf dem Herzen habe, sonst ersticke ich."

Visa," seufzte Martelet und streckte sich ans seinem Kanapee ans.

Der Kapitän legte sich ins Zeug; er fing beim deutsch-französischen Krieg an und schenkte dem Freunde keine Demütigung, keine von all den Niederlagen, die sie erlitten; er beschwor die Geister des Hasses und der Rache im Innern des Freundes herauf und schloß mit einein sentimentalen Appell an ihre Freundschaft, an ihre Zusammengehörigkeit im Denken und im Handeln. Die Augen standen ihm voll Thränen, als er seine lange Rede mit den Worten schloß: Können, dürfen wir jemals diesen, unfern heiligsten Ueberzengungen auch nur anscheinend treulos werden?"

Niemals!" rief der Franzose aus,aber Sie glauben nicht, Kapitän, welch ein angenehmes Gefühl von Appetit Ihre lange Rede in mir hervorgerufen hat, Sie müssen mir öfter solche Reden halten. Wo wollen wir heute abend soupieren?"

Der Kapitän sagte nichts mehr, aber er dachte bei sich selbst: ,Jetzt werde ich handeln!'

Zu seinein Erstaunen verlor Jeanne kein Wort über die Angelegenheit, die den Kapitän so sehr beschäftigte, sie war überhaupt verändert; die sonst so wohlerzogene, gleichmäßige Jeanne hörte kaum auf die Unterhaltung der Herren mit ihrem Vater hin, und als eine Frage an sie gerichtet wurde, gab sie eine Antwort, die bewies, daß ihre Gedanken ganz wo anders weilten, als bei dem Gespräch.