Issue 
(1897) 13
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Ueber Land und Meer.

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Linksrheinisch.

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Der Hanptmann fragte nicht lang, er deckte den ^ Franzosen mit seinem grauen Mantel zu und ver- ^ ordnete ihm einen Grog für den Abend; er ging an jedes Fenster und puffte und zerrte so lang daran herum, bis es Zn war. Der Stand der Dinge schien ihn aber noch nicht zu befriedigen; er bückte sich ^ plötzlich und legte Martelets Beine aus den Sitz und wickelte sie mit großer Umständlichkeit in den Mantel.

Allons, allons" ries der alte Franzose,was machen Sie aus mir?"

Es that ihn: aber doch wohl, denn er fand sein altes Lachen wieder.

Sie haben eine mütterliche Hand," sagte er, und eh' sie sich's versahen, saßen sie im besten Ein­vernehmen einander gegenüber und plauderten von allem möglichen.

Nur einmal gab's eine Pause.

Martelet hatte erzählt, daß er von dem Begräbnis eines alten Kame­raden komme.

Sie hätten nicht gehen sollen mit dieser Erkältung," meinte der Hanptmann,das war nicht ratsam bei dem unbeständigen Wetter."

Ja, was wollen Sie?" unter­brach ihn der Franzose.Wenn die paar Kameraden nicht einmal zusammenhielten! Alan begräbt uns ja wie arme Teufel, und man hat doch auch seine Schuldigkeit gethan."

Hm, ganz gewiß," sagte der Hanptmann und sah vor sich nieder, aber schon im nächsten Augenblick streckte ihm der Franzose die Hand hin:Menschen wie Sie machen vieles gut; ä xroxos, morgen nehmen wir unsre Stunden wieder aus, Sie haben mir gefehlt, wissen Sie; diese herrliche Sprache, es ist eine Freude, ein Stolz, sich mit ihr zu beschäf­tigen, ich berausche mich an meinen eignen Worten, denn was sonst hier in diesem Nest znsammengesprochen wird, es ist eine Barbarei. Made­moiselle Jeanne allein ist eine Aus­nahme, ihre Sprache ist gut, durch­aus; aber was man so den Esprit einer Sprache nennt, den hat sie doch nicht; der läßt sich nicht er­lernen. Ich bitte Sie, nehmen Sie Ihren Mantel, wir sind angekommen wenn mich der Kapitän so gesehen hätte, er würde sich wieder zehn Tage darüber alterieren; ich für meine Person empfinde nur die Wohlthat einer angenehmen Wärme. rovoir!"

Er grüßte wie nur er zu grüßen ver­stand; Dumont sah dem alten Herrn nach, wie er an des Kapitäns Seite dahinschritt, und es

fuhr ihn: durch den Kops: ,Wie gebrechlich der Arme aussieht'.

Hatten Sie auch so eine erquickliche Fahrt?" fragte ihn sein Borgesetzter aus dem Heimweg.Dieser Mensch, der Kapitän, machte ein Gesicht, als könne er den Augenblick nicht erwarten, mich aufzufressen.

Kommen Sie morgen," rief ihm dieser durch die offene Thür zu,der Arzt ist da und will nie­mand herein lassen; aber morgen ist alles gut; ich habe ihm gesagt: ,Jch gebe Ihnen einen Tag für meine KrankheitEin Hustenanfall machte seinem lauten Sprechen ein Ende.

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Ich bemühte niich, ihm Zu zeigen, wie hübsch sich so ein wütendes Gesicht ausnimmt, und das war unsre ganze Unterhaltung."

Da habe ich's besser getroffen," sagte der Haupt­mann.

Gleich am andern Morgen machte er sich auf den Weg, um nach dein Franzosen zu sehen.

Er schlief viel im Lause des Tages; wenn er auswachte, saß der Kapitän zu Füßen seines Bettes und sah ihn voll Besorgnis alt.

Wollen Sie gleich ein andres Gesicht machen!" schalt ihn der Franzose. ,,^ll mmr visu, können Sie denn nichts leicht nehmen, nicht einmal einen kleinen Husten? Grüßelt Sie mir den Hanptmann."

Den Hanptmann," stotterte der Kapitän,nicht auch Monsieur Merkle?"

O nein," rief Martelet aus,Monsieur Merkle ist mein Wohlthäter, aber er hat mir nie wohl ge­than. Sie sollen den Hanptmann grüßen und Mademoiselle Jeanne ja, ja, da steht Ihnen noch was bevor armer Alter die Welt geht ihren Laus üben Sie sich einstweilen in der Grazie, denn fügen müssen Sie sich doch."

Er lachte, dann streckte er seinem ungleichen Kameraden die Hand hin, und der arme Kapitän, dem das Herz blutete, versteckte seinen Kummer hinter einem verzweislungs- vollen Lächeln, das ihm den ganzen Tag nicht mehr vom Gesicht schwand.

Aber am andern Morgen brauchte er nicht mehr zu heucheln, ein Lungen­schlag hatte den Freund sanft aus dem Leben hinweggenommen.

Das ganze Städtchen war auf den Beinen, als der französische Offizier, den jedes Kind gekannt, zu Grabe getragen werden sollte. Als der Tote aus dem Sterbehause gebracht wurde, stand znm Erstaunen aller Leidtragenden auf der Straße gegenüber eine Anzahl deutscher Offiziere, die beim Erscheinen des Sarges die Hand an den Helm legten und sich sodann dem Trauer- znge anschlossen. Es war das erste Mal, daß in dem kleinen Städtchen der Beerdigung eines französischen Pensionärs deutsche Offiziere bei­wohnten. Sie alle, Monsieur Merkle, Jeanne, der Kapitän, wußten, wem sie dies zu danken hatten.

Nachdem der Kapitän eben seine Scholle Erde dem Freunde nach­gesandt, schaute er aus, um die Schaufel weiter zu reichen; gleich hinter ihm standen die französischen Kameraden, gegenüber der Haupt­mann; einen Moment besann er sich, dann reichte er, im Sinne des Verstorbenen handelnd, dem Haupt­mann die Schaufel hin.

Den: Fabrikherrn waren am Grabe des Hingeschiedenen Haus­genossen allerlei Gedanken gekommen. Nun ja, er hatte ruhig sterben können, der alte Franzose, hinter ihm brach keine Welt zusammen, die er im Schweiße seines Angesichtes ausgebant hatte. ,Aber ich,' stöhnte er in seinem Innern, ,steh' ich nicht da wie ein kinderloser Mann, der nicht weiß, was aus seinem Erbe wird!'

Da siel sein Blick aus seine Tochter, und der alte Rechenmeister erwachte in ihm: ,Gesetzt den Fall,