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Ueber Land und Weer.
dem Nordpol", „Quer durch Oesterreich" und so weiter aufführen. In den Sälen der Seitengalerien ist den Besuchern Gelegenheit geboten, unter Anleitung chemische, physikalische, elektrische Experimente auszuführen, mikroskopische Präparate zu besichtigen, sowie am Abend astronomische Beobachtungen anzustellen.
Obwohl das Problem des lenkbaren Luftschiffes trotz hundertjähriger Bemühungen noch immer nicht gelöst ist, sind doch auch in der Aeronautik vielfache Fortschritte zu verzeichnen, die die Ausstellung in einer eignen Abteilung sehen läßt. Der auf unserm Bilde auf dem Boden liegende Ballon in Walzenform (ein sogenannter Drachenballon von 33 Meter Länge und 7,2 Meter Durchmesser) wird als Ballon captif dienen, während waghalsigere Besucher sich an mehrstündigen Freifahrten mit dem großen Kugelballon beteiligen können.
Endlich wollen wir noch der Bäckerei-Ausstellung einen kurzen Besuch abstatten, deren weitläufiger, von den berühmten Theaterarchitekteil Hellmer und Fellner im Renaissancestil errichtete Terrassenbau (etwa in der Mitte des Bildes) mit seinen Laubengängen an einen alten klösterlichen Meierhof erinnert. Hier wird das weltbekannte Wiener Gebäck vor den Augen der Besucher verfertigt und werden den Fachmännern alle Neuerungen dieses Gewerbes gezeigt. Wenn wir noch der langgestreckten Halle für landwirtschaftliche Maschinen und Produkte, ferner der großen Bauten des Erzherzogs Friedrich und des Fürsten Schwarzenberg, der bedeutendsten Grundbesitzer Oesterreichs, und des Pavillons der Bukowina gedenkeil, so haben wir kaum die hauptsächlichsten Sehenswürdigkeiten der Ausstellung erschöpft. Max Weinberg.
ÄLacomo Leopardi.
§u seinem hundertjährigen Geburtstage, 29. Juni 1898.
Von
Ludwig Volthof.
Meinem Aug' ist nachtumgrant Die Zukunft, und was ich erblicke, schrecket Mich so, daß Traum und leeres Wähnen Mir jeglich Hoffen scheint.
Sänger, der diese wehmütig entsagungsvolle Klage AA/ angestimmt, Giacomo Leopardi, wird von den Italienern als ihr größter Lyriker seit Petrarca verehrt, und mit Recht. Leopardi geht in seiner Bedeutung vielleicht noch über den berühmten Sänger der Laura hinaus, weil er, weniger an die Schranke des Orts und der Zeit gebunden, mehr noch als dieser der Weltlitteratur angehört. Er war, wie das einer seiner deutschen Verehrer, Robert Hamerling, hervorhebt, groß in dem Sinne, wie es Dante und Michelangelo gewesen sind, er ging seine eigne Bahn und schien, wie die beiden Genannten, dazu geboren, „um zu beweisen, daß dem Mutterlands des Schönen auch das Große, das Kühne und Gewaltige nicht versagt blieb".
In der Kühnheit und der Gewalt seiner Gedanken wurzelt in der That die Bedeutung des vor hundert Jahren geborenen großen italienischen Lyrikers, kaum minder freilich in der hohen und vornehmen Form, in welche er diese Gedanken gekleidet. Leopardi war der große Sänger des Pessimismus, der dichterische Verkünder einer Lehre, die nach ihm der deutsche Philosoph Schopenhauer in ein System gebracht, wie dieser denn auch in seinem Aufsatze über die Nichtigkeit des Lebens von ihm urteilt: „Keiner hat diesen Gegenstand so gründlich und erschöpfend behandelt als Leopardi. Er ist von demselben ganz erfüllt und durchdrungen; überall ist der Spott und der Jammer
sein Thema; auf jeder Seite seiner Werke stellt er ihn dar, jedoch in einer solchen Mannigfaltigkeit von Formen und Wendungen, daß er niemals Ueberdruß erweckt, vielmehr durchweg unterhaltend und anregend wirkt." Mit den letzten Worten trifft der „denkmächtige Arthur" den Nagel auf den Kopf: das, was die Dichtungen Leopardis auch demjenigen, der sich durch eine weite Kluft von der Weltanschauung ihres Urhebers geschieden fühlt, so anziehend macht, ist das mächtige aus ihnen sprechende und sich nicht am wenigsten auch in ihrer Form aussprechende dichterische Ingenium. Es ist gewiß kein Zufall, wenn sich während der letzten Jahrzehnte drei hervorragende deutsche Sprachkünstler, Robert Hamerling, Gustav Brandes und Paul Heyse, an einer Ueber- tragung der Leopardischen Dichtungen versucht haben. Alle drei sind zugleich bestrebt gewesen, uns ein Bild Leopardis von seiner menschlichen und künstlerischen Seite zu entwerfen, was am besten Brandes gelungen sein dürfte, während in der Uebertragungskunst unstreitig Heyse den Preis davongetragen hat. Interessant, weil für das ganze Wesen Leopardis im höchsten Grade bezeichnend, ist übrigens, was letzterer über sein Verhalten zu dem großen italienischen Pessimisten äußert: „Daß ich einem Dichter, mit dessen Ueberzeugung ich mich im tiefsten Widerspruch fühle, die Arbeit vieler Jahre habe widmen können, wird jeder verstehen, der da weiß, wie unabhängig unsre Zuneigung von unfern Maximen, unser ästhetisches Urteil von unsrer philosophischen Erkenntnis ist. Haben doch sogar Anhänger eines Optimismus, der ebenso extrem und absolut, wie Leopardis Pessimismus radikal und trostlos ist, dem persönlichen Zauber dieser hohen, adligen Erscheinung nicht widerstehen können, und gläubige Katholiken wie strenge Protestanten, nicht bloß von der dunkeln Melodie seiner Verse bestrickt, sondern von der hochherzigen Gesinnung, dem mutigen Wahrheitsdurst und der sittlichen Reinheit dieses seltenen Dulders hingerissen, ihm gegenüber allen Streit der Meinungen ruhen lassen, um ihn einstimmig als einen der größten Künstler und Menschen zu feiern, die in Italien seit den Tagen Dantes aufgestanden."
Zu großem Teil, wenn auch uicht ganz und keinesfalls in dem Umfange, wie Heyse es darzustellen versucht, wareu Leopardis Lebensauffassung und Weltanschauung von den physischen Verhältnissen seiner Person, von den politischen Zuständen seines Heimatlandes und der Eigenart seiner äußeren Umgebung abhängig. Der Dichter wurde am 29. Juni 1798 in der rauhen Luft eines abgeschiedenen Landstädtchens, zu Recanati in der Mark Ancona, als ältester Sohn eines verarmten Grafengeschlechts geboren. Ein kränkliches Kind, wie es scheint, mit einem unheilbaren Herzleiden behaftet, sollte er sich zu eigentlicher Gesundheit niemals ausleben; desto früher gab seine ungewöhnliche geistige Begabung sich kund. Die Natur schien bei der Hervorbringung seines Organismus ihre ganze Kraft in der Bildung der Gehirnmasse und der Schädelwölbung erschöpft zu haben, so daß für die übrigen Teile nichts mehr übrig blieb. Den großen Kopf mit der hohen und breiten Stirn, dem blauen, schmachtenden Auge und der gebogenen spitzen Nase stützte ein schmächtiger, gebrechlicher Körper. Die Farbe der Gesichtszüge war blaß, und das Organ klang etwas heiser, doch besaß bei der bescheidenen Sprechweise sein Lächeln einen eigentümlichen Zauber. So schildern ihn die Zeitgenossen. Nur bis zu seinem vierzehnten Jahre genoß er regelmäßigen Unterricht; was er später noch lernte, eignete er sich durch Selbststudium an, wozu die umfassende Bibliothek im väterlichen Hause ihm Gelegenheit bot. Dieser Bücherschatz und die Zuneigung seiner Geschwister, von denen er namentlich seinen jüngeren Bruder Carlo und die wahrhaft engelgleiche Schwester Angelina in das Herz geschlossen hatte, waren aber auch das einzige, was die engere Heimat ihm Erfreuliches bot. Zu seinem herrischen, von