Heft 
(1898) 04
Seite
62
Einzelbild herunterladen

62

Ueber Land und Meer.

</N 4

so zutraulich, wie wenn sie seine Tochter gewesen ! wäre. ,Ja, lieber Herr von Stechlin/ sagte sie, ^ ,wer A sagt, der muß auch B sagen. Wenn ich diesen Segen durchaus nicht wollte, dann mußt' ich einen Durchschnittsprinzen heiraten, dann hätte ich vielleicht das, was der alte Heim empfehlen zu müssen glaubte. Statt dessen nahm ich aber meinen guten Katzler. Herrlicher Mann. Sie kennen ihn ^ und wissen, er hat die schöne Einfachheit aller statt- ! lichen Männer, und seine Fähigkeiten, soweit sich j überhaupt davon sprechen läßt, haben etwas Ein- ! seitiges. Als ich ihn deshalb heiratete, war ich ganz von dem einen Gedanken erfüllt, alles Prinzeß- liche von mir abzustreisen und nichts bestehen zu lassen, woraus Uebelwollende hätten herleiten können: Ah, sie will eine Prinzessin sein/' Ich entschloß mich also für das Bürgerliche, und Zwarvoll und ganz", wie man jetzt, glaub' ich, sagt. Und was dann kam, nun, das war einfach die natürliche Konsequenz/"

Großartig," sagte Rex.Ich entschlage mich nach solchen Mitteilungen jeder weiteren Opposition. Welch ein Maß von Entsagung! Denn auch im Nichtentsagen kann ein Entsagen liegen. Andauernde Opferung eines Innersten und Höchsten."

Unglaublich!" lachte Czako.Rex, Rex. Ich Hab' Ihnen da schon vorhin alle Menschenkenntnis abgesprochen. Aber hier übertrumpfen Sie sich doch selbst. Wer Konventikel leitet, der sollte doch wenig­stens die Weiber kennen. Stechlin sagte, sie sei lymphatisch und habe Vergißmeinnichtaugen. Und nun sehen Sie sich den Katzler an. Beinah' sechs Fuß und rotblond und das Eiserne Kreuz."

Czako, Sie sind mal wieder frivol. Aber man darf es mit Ihnen so genau nicht nehmen. Das ist das Slavische, was in Ihnen nachspukt; latente Sinnlichkeit."

Ja, sehr latent; durchaus vergrabner Schatz. Und ich wollte Wohl, daß ich in die Lage käme, besser damit wuchern zu können. Aber . .."

So ging das Gespräch noch eine gute Weile.

Die große Chaussee, darauf ihr Weg inzwischen wieder eingemündet war, stieg allmählich an, und als man den Höhepunkt dieser Steigung erreicht hatte, lag das Kloster samt seinem gleichnamigen Städtchen in verhältnismäßiger Nähe vor ihnen. Auf ihrem Hinritte hatten Rex und Czako so wenig da­von zu Gesicht bekommen, daß ein gewisses Betroffen­sein über die Schönheit des sich ihnen jetzt dar­bietenden Landschafts- und Architekturbildes kaum ausbleiben konnte. Czako besonders war ganz aus dem Häuschen, aber auch Rex blieb nicht zurück. Die große Feldsteingiebelwand," sagte er,so ge­wagt im allgemeinen bestimmte Zeitangaben sind, möcht' ich aus 1375, also Landbuch Kaiser Karls IV., setzen dürfen."

Wohl möglich," lachte Woldemar.Es giebt nämlich Zahlen, die nicht gut widerlegt werden können."

Rex hörte drüber hin, weil er in seinem Geiste mal wieder einer allgemeineren und höheren Auf­fassung der Dinge zustrebte.Ja, meine Herrn," hob er an,das geschmähte Mittelalter. Da ver­stand man's. Ich wage den Ausspruch, den ich übrigens nicht einem Kuusthandbuch entnehme, son­dern der langsam in mir herangereift ist:Die Platzsrage geht über die Stilfrage." Jetzt wählt man immer die häßlichste Stelle. Das Mittelalter hatte noch keine Brillen, aber man sah besser."

Gewiß," sagte Czako.Aber das mit den Brillen, Rex, ist nichts für Sie. Wer mit seinem Monocle so viel operiert..."

Das Gespräch kam nicht weiter, weil in eben diesem Augenblicke mächtige Turmuhrschläge vom Städtchen Wutz her herüberklangen. Man hielt an, und jeder zählte.Vier." Kaum aber hatte die Uhr ausgeschlagen, so begann eine Weite und that auch ihre vier Schläge.

Das ist die Klosteruhr," sagte Czako.

Warum?"

Weil sie nachschlägt; alle Klosteruhren gehen nach. Natürlich. Aber wie dem auch sei, Freund Woldemar hat uns, glaub' ich, für vier Uhr an­gemeldet, und so werden wir uns eilen müssen."

VII.

Alle setzten sich wieder in Trab, auch Fritz, der dabei näher an die vorausreitenden Herren herankam. Das Gespräch schwieg ganz, weil jeder in Erwartung der kommenden Dinge war.

Die Chaussee lies hier, aus eine gute Strecke, zwi­schen Pappeln hin, als man aber bis in unmittelbare Nähe von Kloster Wutz gekommen war, hörten diese Pappeln aus, und der sich mehr und mehr ver- schmälernde Weg wurde zu beiden Seiten von Feld­steinmauern eingefaßt, über die man alsbald in die verschiedensten Gartenanlagen mit Küchen- und Blumen­beeten und Obstbäumen dazwischen hineinsah. Alle drei ließen jetzt die Pferde wieder in Schritt fallen.

Der Garten hier links," sagte Woldemar,ist der Garten der Domina, meiner Tante Adelheid; etwas primitiv, aber wundervolles Obst. Und hier gleich rechts, da bauen die Stistsdamen ihren Dill uud ihren Meiran. Es sind aber nur ihrer vier, und wenn welche gestorben sind aber sie sterben selten so sind es noch weniger."

^ Unter diesen orientierenden Mitteilungen des hier aus seinen Knabenjahren her Weg und Steg kennen­den Woldemar waren alle durch eine Maueröffnung in einen großen Wirtschastshos eingeritten, der baulich so ziemlich jegliches enthielt, was hier, bis in die ^ Tage des Dreißigjährigen Krieges hinein, der dann ^ freilich alles Zerstörte, mal Kloster Wutz gewesen war. Vom Sattel aus ließ sich alles bequem über­blicken. Das meiste, was sie sahen, waren wirr durcheinander geworfene, von Baum und Strauch überwachsene Trümmermassen.

Es erinnert mich an den Palatin," sagte Rex, nur ins christlich Gotische transponiert."

Gewiß," bestätigte Czako lachend.So weit ich urteilen kann, sehr ähnlich. Schade, daß Krippen­stapel nicht da ist. Oder Tucheband."

Damit brach das Gespräch wieder ab.

In der That, wohin man sah, lagen Trümmer­massen, in die, seltsamlich genug, die Wohnungen der Klosterfrauen eingebaut waren, zunächst die größere der Domina, daneben die kleineren der vier Stiftsdamen, alles an der vorderen Langseite hin. Dieser gegenüber aber zog sich eine Zweite, parallel lausende Trümmerlinie, darin die Stall­gebäude, die Remisen und die Nollkammern unter­gebracht waren. Verblieben noch die zwei Schmal­seiten, von denen die eine nichts als eine von Holunderbüschen übergrünte Mauer, die andre dagegen eine hochausragende mächtige Giebelwand war, dieselbe, die man schon beim Anritt aus einiger Entfernung gesehen harte. Sie stand da, wie bereit,, alles unter ihrem beständig drohenden Niederstnrz zu begraben, und nur das eine konnte wieder be- > ruhigen, daß sich auf höchster Spitze der Wand ein ^ Storchenpaar eingenistet hatte. Störche, deren seines Vorgefühl immer weiß, ob etwas hält oder fällt.

! Von der Maueröffnung, durch die man eingeritten, bis an die in die Trümmer eingebauten Wohn­gebäude waren nur wenige Schritte, und als man davor hielt, erschien alsbald die Domina selbst, um ihren Neffen und seine beiden Freunde zu begrüßen. Fritz, der, wie überall, so auch hier Bescheid wußte, nahm die Pferde, um sie nach einem an der andern Seite gelegenen Stallgebäude hinüberzusühren, wäh­rend Rex und Czako nach kurzer Vorstellung in den von Schränken umstellten Flur eintraten, iIch habe dein Telegramm," sagte die Domina,

!erst um ein Uhr erhalten. Es geht über Gransee,

' und der Bote muß weit laufen. Aber sie wollen ! ihm ein Rad anschaffen, solches wie jetzt überall Mode ist. Ich sage Rad, weil ich das fremde Wort, das so verschieden ausgesprochen wird, nicht leiden kann. Manche sagen ,cst, und manche sagen Ich/.

! Bildungsprätensionen sind mir fremd, aber man will ^ sich doch auch nicht bloßstellen."

Eine Treppe führte bis in den ersten Stock ! hinaus, eigentlich war es nur eine Stiege. Die Domina, nachdem sie die Herren bis an die unterste Stufe begleitet hatte, verabschiedete sich hier aus eine Weile.Du wirst so gut sein, Woldemar, alles in deine Hand zu nehmen. Führe die Herren hinaus. Ich habe unser bescheidenes Klostermahl auf fünf Uhr angeordnet; also noch eine gute halbe Stunde.

! Bis dahin, meine Herren."

Oben war eine große Plättkammer zur Fremden­stube hergerichtet worden. Ein Waschtisch mit Finken­näpfchen und Krügen in Kleinformat war ausgestellt ! worden, was in Erwägung der beinahe liliputanischen ! Raumverhältnisse durchaus passend gewesen wäre, i wenn nicht sechs an eben so vielen Thürhaken hängende ! Riesenhandtücher das Ensemble wieder gestört hätten.

Rex, der sich ihn drückten die Stiefel auf kurze zehn Minuten nach einer kleinen Erleichterung sehnte, bediente sich eines eisernen Stiefelknechts, während Czako sein Gesicht in einer der kleinen Waschschüsseln begrub und beim Abreiben das feste Gewebe der Handtücher lobte.

Sicherlich Eigengespinst. Ueberhaupt, Stechlin, das muß wahr sein, Ihre Tante hat so was; man merkt doch, daß sie das Regiment führt. Und wohl schon seit lange. Wenn ich recht gehört, ist sie älter als Ihr Papa."

O, viel; beinahe um zehn Jahre. Sie wird sechsundsiebzig."

Ein respektables Alter. Und ich muß sagen, wohl konserviert."

Ja, man kann es beinahe sagen. Das ist eben der Vorzug solcher, die man ,schlank' nennt. Beiläufig ein Euphemismus. Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren und die Zeit natür­lich auch; sie kann nichts nehmen, wo sie nichts mehr findet. Aber ich denke Rex thut mir übrigens leid, weil er wieder in seine Stiesel muß wir begeben uns jetzt nach unten und machen uns möglichst liebenswürdig bei der Tante. Sie wird uns wohl schon erwarten, um uns ihren Liebling vorzustellen.

Wer ist das?"

Nun, das wechselt. Aber da es bloß vier sein können, so kommt jeder bald wieder an die Reihe. Während ich das letzte Mal hier war, war es ein Fräulein von Schmargendorf. Und es ist leicht möglich, daß sie jetzt gerade wieder dran ist."

Eine nette Dame?"

O ja. Ein Pummel."

Und wie vorgeschlagen, nach kurzemSich- ajustieren" in der improvisierten Fremdenstube, kehrten alle drei Herren in Tante Adelheids Salon zurück, der niedrig und verblakt und etwas alt­modisch war. Die Möbel, lauter Erbschaftsstücke, wirkten in dem niedrigen Raume beinahe grotesk, und die schwere Tischdecke, mit einer mächtigen, ziemlich modernen Astrallampe daraus, paßte schlecht zu dem Zeisigbauer am Fenster und noch schlechter zu dem über einem kleinen Klavier hängen­den Schlachtenbilde:König Wilhelm aus der Höhe von Lipa". Trotzdem hatte dies stillose Durch­einander etwas Anheimelndes. In dem primitiven Kamin nur eine Steinplatte mit Rauchsang war ein Holzseuer angezündet; beide Fenster standen aus, waren aber durch schwere Gardinen so gut wie wieder geschlossen, und aus dem etwas schief über dein Sofa hängenden Quadratspiegel wuchsen drei Pfauenfedern heraus. (Fortsetzung folgt.)

ÄiiMnlcl M5 -er HMUe -erUMMilik.

ast zu derselben Zeit, im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts, als James Watt durch seine epoche­machenden Erfindungen der Anwendung der Dampfmaschine zu industriellen Zwecken die Wege wies, vollzog sich in aller Stille ein Ereignis, dessen weltbewegende Bedeutung damals noch von niemand geahnt wurde: die Entdeckung des Gal­vanismus. ,

bei Versuchen, die er an frischpräparierten Froschschenkeln machte, ein eigentümliches Zucken derselben wahrnahm, als er sie an metallenen Haken anfhing, und wie dann der Physiker Alessandro Volta dieser rätselhaften Erscheinung auf den Grund kam, indem es ihm gelang, verinittels der nach ihm benanntenVoltaschen Säule" einen elektrischen Strom zu erzeugen. Ehe aber aus diesen ersten Wahr­nehmungen und Versuchen sich jene besondere Wissenschaft entwickelte, der es Vorbehalten war, das Wesen der ge­heimnisvollen Nnturkraft in allen ihren Eigentümlichkeiten zu ergründen und sie praktischen Zwecken nutzbar zu machen, war noch ein weiter und mühevoller Weg ernster Forschung zurückzulegen. Erst nachdem 1819 der dänische Natur­forscher Oerstedt die Ablenkung der Magnetnadel durch den galvanischen Strom, der französische Physiker Ampere den Zusammenhang des Magnetismus mit der Elektricität und endlich der englische Naturforscher Faraday die elektrische Induktion entdeckt hatte, war die Grundlage gegeben, auf der sich allmählich der herrliche Bau wissenschaftlicher Er­kenntnis und technischen Fortschrittes erhob, der schließlich gekrönt wurde durch die epochemachende Entdeckung des dynamo-elektrischen Prinzips durch die Brüder Werner und Wilhelm Siemens. Jetzt erst fand die Elektrotechnik