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Meöer Land und Meer.
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Leben Ln Tunis.
Mit Abbildungen von Richard Fuchs-Berlin.
-^ines Tages saßen mir im Cafe Ben Swika an der VL Twila (Langestraße) m Tunis ln der behaglichen Ruhe, die der Orientale so liebt, und an die der im Lande langer Weilende fleh gern gewohnt, als ein furchtbarer Lärm uns ansschreclte: Schießen und Schreien, dazwischen das unheimliche, dumpfe Um-tata, Um-tata der riesigen Negertrommeln und der gellende Jubelruf der Frauen, die im höchsten Diskant taktmäßig ihr „Lillillih, Lillillih" ausstießen. Alles stürzte auf die Straße. Von weitem fah inan zunächst nur das Aufblitzen von Schüssen, den wallenden Ranch, überragt von grüngelben und gelbroten Fahnen. Tie wilde, lärmende Bande kam näher. Es waren die Neger der Vorstädte, denen ihr greiser Babbas (Priester, Vater) mit größter Feierlichkeit voranschritt. „Was ist denn da los?" fragten wir, und alsbald gab uns Mo-
Aiisknnft:
Sidi Saad. Der wohnte vor vielen Jahrhunderten hier vor den Thoren an der Dschebel Hassenn (Hassanberg). Der heilige Mann war ein großer Freund der Armen und Verlassenen, besonders aber nahm er sich der von allen verachteten Neger an. Sie waren damals alle Sklaven uiid wurden fürchterlich geprügelt. Wenn zu Sidi Saad
er ihm zu essen; war er krank, so pflegte er ihn; wurde er verfolgt, so nahm er ihn auf als Gastfreund. Nachdem Sidi Saad hundert Jahre alt geworden war, starb er. Alle weinten, und er wurde auf dem Dschebäna bel Hassenn (dem großen, nach seinem
Hassan - Friedhofe) mit _ _
aller Feierlichkeit bestattet.
Ihr kennt alle sein heiliges Grab."
Hier erhob sich Mo-
neigte sich tief nach der Richtung der heiligen Stätte hin.
„Die Sklaverei" — so fuhr er fort — „wurde nun sehr schlimm, da Sidi Saad keinen der Schwarzen mehr beschützte.
Der Jammer war schrecklich. Allen that es leid, aber man konnte nichts machen. Da kamen die Könige der Rumi (Europäer) der ganzen Welt zusammen und hatten Mitleid mit den armen Negern. Dann befahl der König von Spanien, die
der König von Nimsah (Oesterreich) und der König von Amerika, es sollten von jetzt an gar keine Sklaven mehr auf der
Erde fein. Die Könige befahlen es, aber den armen Negern wurde nichts gesagt. Ihr Elend wurde noch schlimmer, denn die Post hatte den Brief mit der Freilassung noch nicht gebracht.
„Da, mitten in der Nacht, kam in das Dorf der Neger ein ganz, ganz alter Mann. Keiner kannte ihn, aber als er nach dem Aeltesten fragte, da erkannte ihn dieser gleich an der Stimme und fragte: ,Lnti 81äi 8uuä es 8uck<M? — Bist du unser Herr Saad der Fromme?'
„,Ja/ sagte Sidi Saad, sich bin es und bin von den Toten auferstanden und bin gekommen im Namen Allahs, damit ihr alle befreit werdet, wie es die Könige der Rumi befohlen haben. Führet mich gleich zum englischen Konsul!' Sie führten ihn auf den großen Platz, und so ging Sidi Saad zum englischen Konsul. Als Mister Thomas ihn sah, wußte er sogleich, daß Sidi Saad vor ihm stand, und freute sich. Der Heilige sagte ihm nun, daß der Brief mit der Freilassung von der Post noch nicht gekommen sei, daß aber Allah ihm mitgeteilt habe, Mister Thomas solle die Neger befreien. Mister Thomas zog auf der Stelle die großen Reitstiefeln an und ging zum Bey. Seine Hoheit der Bey schlief und wurde sehr böse. Da schlug
Mister Thomas mit der Reitpeitsche auch sehr böse auf den Tisch und sagte: ,Die Königin befiehlt, daß alle Sklaven heute noch freigelassen werden.'*) Seine Hoheit befreite sofort alle Sklaven, und als er von Sidi Saad hörte, freute er sich, denn nun wußte er, daß der Gesaudte Allahs gesprochen habe. Seitdem sind die Neger frei. Deshalb feiern die Neger alle Jahre den heiligen Sidi Saad, Ziehen fröhlich durch die Stadt mit Schießen und Trommeln nach dem Friedhofe und lobpreisen Sidi Saad, den Befreier. Der englische Konsul aber giebt dazu immer zwanzig Franken für Pulver."
So erklärte uns der brave Mohammed el Tirr den auf eiuem unsrer Bilder dargestellten Festzug, der uun mit unglaublichem Lärm an uns vorüberkam.
Eine zweite Skizze zeigt einen andern mohammedanischen Friedhof bei Tripolis, wohin der Orientmaler Richard Fuchs wiederholt Reisen gemacht hat. Ein Leichenzug bewegt sich nach dem Friedhofe hin, in dessen Marabut (Tempel) unter den Palmen ebenfalls der heilige Sidi Saad ruhen soll. Die Menge der Gräber, von denen die stattlichen, der Form jenes Marabut nachdeutet auf die besondere Heiligkeit des Ortes hin, der die Thatsache, daß Sidi Saad auch in Tunis ein Grab hat, keinerlei Eintrag thut.
dritte Skizze. Dort wohnen in ihren aus Stroh, Rohr und Palmblättern erbauten
Neger, die sich auf den Feldern als Landarbeiter verdingen, im übrigen aber noch nach ihren
leben wie unten im Sudan, dessen fruchtbaren Gefilden die meisten entstammen: ein harmloses, arbeitsames,
ter dem man ebenso oft goldtreue Herzen wie schöne Gestalten findet.
R. A. Körnig.
WW