Heft 
(1898) 11
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Ueöer Land und Weer.

ZU 11

Hattest wohl bange, daß er dich 'runterreißen könnte?"

Es war beinah, als hätte sie derartiges ge­fürchtet so sehr verklärte sich jetzt ihr Gesicht.

Jst's Ihnen nicht zu . . . zu grob?" fragte sie zaghaft.

Na, Gott sei Dank, Damenarbeit ist's nicht," rief Berghaner statt feiner.So tipp, tipp. . . und alles hübfch ausgeführt und ,verschönerte" Der Konsul legte einen unglaublichen Hohn in das Wort.

Für jeden ist's ja nicht," sagte Lotte leise, fast demütig.

HubertsBegeisterung", die sich bis jetzt bloß pantomimisch/ in einem Händedruck, geäußert hatte, fand nun auch ein paar Worte.Ich bin ja kein Kenner," sagte er.Ich kann bloß sagen: es ist echt."

Lottes Augen sprühten wie ein paar kleine Sonnen.

Und nun gerieten sie in ein Kunstgespräch, und es fand sich eine solche Harmonie in ihren An­schauungen, ihrem Wollen, ihren Urteilen, daß sie sich nur immer von neuem mit glücklichem Erstaunen in die Augen sahen.

Karl Wedekind stand dabei und hörte zu und hatte eine Zigarre, die der Konsul ihm angeboten, abgeschnitten und angezündet. Aber er legte sie plötzlich nieder.

Verzeihen Sie," murmelte er mit einem fahlen, müden Gesicht,aber es wird nun doch Zeit. Wir dürfen nicht länger stören."

Hubert fiel wie aus dem Himmel. Unwillkürlich seufzte er. Aber es mußte sein. Einmal mußte er ja doch heraus aus dem Paradiese, zurück in seine Oede, Kälte und Unwirtlichkeit.

Warten Sie," sagte Berghauer,ich geh' mit. Muß noch zu 'ner Ausschußsitzung. Haben mir da wieder 'neu Posten aufgehängt"

AberPapa, du mußt doch auch an dich denken!"

Ach was! Wenn sie mich brauchen können! Mich daher zu setzen und mein Podagra zu pflegen, dazu biu ich in Zehn Jahren noch nicht alt genug."

Sie verabschiedeten sich von der Tante, die würdevoll in ihrem Sofaplatz thronte. Die Mäd­chen gingen mit ins Vorzimmer und halfen ihrem Vater, sich reisefertig zu machen. (Fortsetzung folgt.)

Neuheiten der Deutschen Verlags-Rnsiatt.

at Heinrich von Poschinger in den ersten beiden Bänden seines WerkesFürst Bismarck und der Bundesrat" eingehend die Begründung zunächst des Norddeutschen Bundes und dann des gesamten neuen Reiches behandelt, so schildert er im dritten Bande, der die Zeit von 1874 bis 1878 umfaßt, den weiteren Aus­bau und die mannigfachen Schwierigkeiten, die dem eisernen Kanzler sich entgegenstellten. Nicht nur die Opposition im Parlament hatte er zu überwinden, sondern oft auch Wider­stand im Bundesrate, ja bei seinen eignen Ministern, von denen nicht jeder immer geneigt war, der von großem Gesichtspunkte geleiteten Politik Bismarcks zu folgen. Neben dem amtlichen Material standen dem Herausgeber wieder besondere Quellen zur Verfügung, nämlich Auszeichnungen und Briefe hervorragender Mitglieder des Bundesrates und sonstiger Männer in wichtiger Stellung, die mehr hörten und erfuhren, als gewöhnlichen Sterblichen vergönnt ist. Ein Teil der Persönlichkeiten ist uns schon von den früheren Bänden bekannt; so der sachsen-koburgische Be­vollmächtigte Freiherr von Seebach, dessen nach der Heimat gerichtete Briefe wieder viel Interessantes bringen, und die badischen Minister Jolly und von Freydorf, deren Auf­zeichnungen noch manchen merkwürdigen Beitrag zur Ge­schichte der Jahre 187071 und daneben manches Kuriosum enthalten. Zum Beispiel: Bekannt ist, daß der greise Generalfeldmarschall von Steinmetz noch in spätem Alter

nöter war. Einst hatte er für die Operettendiva Mila Röder geschwärmt, dann für eine andre Dame, die sich später verheiratete, und bei einer vom Fürsten von Hohen- zollern veranstalteten Soiree trifft der greise Held nebst seiner jungen Frau mit den beiden alten Flammen zu­sammen, und trotz aller Kenntnis der gegenseitigen Lage unterhalten sich die drei Damen vortrefflich miteinander.

Wie ein Lustspiel, das den TitelWie man Minister wird", zu führen hätte, lesen sich die Auszeichnungen über den Amtsantritt des Finanzministers Hobrecht. Der Ge­währsmann für diese launige Geschichte ist zwar nicht ge­nannt, aber leicht zu erraten, nachdem erst vor kurzem der Regierungspräsident von Tiedemann in einem öffentlichen Vortrag das Histörchen ähnlich, doch nicht so ausführlich,

erzählt hat. Nach Camphausens Rücktritt, im Früh­jahr 1878, war Bismarck in Verlegenheit um einen preußischen Finanzminister, da verschiedene Personen, denen das heikle Amt angeboten war, abgelehnt hatten. Die Vorschläge, die Herr von Tiedemann, Chef der neu errichteten Reichskanzlei, machte, erhielten nicht die Zu­stimmung des Kanzlers, und so befand sich ersterer, um neue Vorschläge ersucht, in unbehaglichster Stimmung. Gegen Mitternacht beim Reichskanzler arbeitete man oft noch viel länger sucht Tiedemann abgespannt seinen Klub auf, trifft hier den städtischen Baurat Hobrecht und fragt ihn höflicherweise nach den: Befinden seines Bruders, des Oberbürgermeisters von Berlin. Dabei schießt ihm der Gedanke durch den Kops, ob nicht dieser, der umsichtige Leiter des größten deutschen Gemeinwesens, der geeignete Mann sei. In demselben Augenblick erscheint ein Diener, der Tiedemann nochmals zum Kanzler bescheidet, und der Fürst empfängt den Ein- öretenden mit den Worten:Nun hat Stephan auch abgelehnt. Na, Pötter, wat makt wi nu?" (Na, Töpfer, was machen wir nun?) Tiedemann schlügt frischweg seinen Kandidaten vor, Bismarck stimmt zu und bittet seinen Geheimrat, Hobrecht sofort anfzusuchen. Nachts nach ein Uhr klingelt also Herr von Tiedemann an der Wohnung des Oberbürgermeisters, um zu erfahren, dieser sei noch in Gesellschaft, werde aber bald heimkehren. Richtig erscheint nach einer halben Stunde das würdige Stadthaupt, in ungemein fideler Stimmung, die auch nicht durch das Er­staunen über den späten Besuch vermindert wird. Jäh aber fährt aus die Frage, ob er nicht Finanzminister werden möchte, der Oberbürgermeister empor, und nachdem er sich einigermaßen von seiner Verblüffung erholt, meint er:Die Sache könnte einen ja mit einem Male nüchtern machen!" Schließlich entscheidet er sich:Ich werde mir die Sache beschlafen. Wenn ich aber morgen im Kater io denke wie

niemals einen Rausch gehabt" und so weiter. Die Tätig­keit des neuen Finanzministers war zwar nur von kurzer Dauer, aber die politischen Gegensätze zwischen beiden Männern trübten nicht das persönliche Verhältnis.

Eine wertvolle Ergänzung zu den Bismarck-Büchern Poschingers ist das ebenfalls von ihm herausgegebene Bismarck-Portefeuille. Es enthält bisher nicht veröffentlichte Auszüge aus der amtlichen Korrespondenz des eisernen Kanzlers, und auch hier staunen wir über seine Vielseitigkeit. Ob es sich um den Bau einer Dorfkirche oder die Unterstützung einer Nordpolexpedition handelt, ob eine Sekundärbahn oder die Fracht für künstlichen Dünger in Frage steht, stets trifft er den Nagel auf den Kopf, und wo er sich einer Sache annimmt, da geht er scharf ins Zeug. Ebenso finden wir in den Privatbriefen und Depeschen, obwohl es sich dabei häufig nur um Aenßerungen des Dankes handelt, stets ein eigenartiges Wort, das von Kenntnis der Sachen und Personen zeugt. Ferner führt das Portefeuille in Erweiterung der sonstigen Werke Poschingers die Mitarbeiter Bismarcks an der inneren Politik vor, und wie die Aufzeichnungen Rudolf Lindaus aus den Jahren 1878 bis 1884 manches Neue enthalten,

dem Charakterbilde des großen Mannes manchen bemerkens­werten Zug hinzu. Neues bietet auch der AbschnittBis­marck und Anhalt", aus dem wir ersehen, daß dieses Ländchen Anno 66 ohne die Vorsicht des leitenden Ministers Sintenis in bedenkliche Lage geraten wäre, und aus dem KapitelBismarck im Antiquariat" werden Autographen­sammler mit Interesse erfahren, wie hoch die Schriftzüge des Altreichskanzlers und seines ältesten Sohnes im Handel bewertet sind.

Die Fortsetzung seines im vorigen Jahre erschienenen Werkes:Aus dem Lager des Rheinbundes" giebt General 1)r. Albert von Pfister mit dem für die militärische wie diplomatische Geschichte jener Tage nicht minder wert­vollen Buche:Aus dem Lager der Verbündeten 181415". Wieder durfte der Verfasser aus einer Reihe bisher nicht zugänglicher Quellen schöpfen, nament-

archiv und der Privatregistratur weiland König Friedrichs von Württemberg, und so werfen diese Blätter auf manchen bisher dunkeln Punkt ein Helles Licht, das allerdings manches Unerfreuliche enthält. Von den mehr oder minder versteckten Jntriguen der großen Mächte gegeneinander erhalten wir ein anschauliches Bild, ebenso von der gegen­seitigen Eifersüchtelei derKleinen" und ihrer Sorge, von ^ denGroßen" unterdrückt zu werden. Diese Darlegungen ! stimmen schlecht mit der allgemein üblichen Vorstellung von der einmütigen Begeisterung, mit der zum zweiten Male ^ die deutschen Volksstämme gegen den Korsen zu Felde j zogen, aber sie entsprechen doch der Wahrheit. Was ! kümmerten die Regierenden das Volk und seine Hoff- ! nungen! Wurde doch nicht einmal der sehnlichste, schon z 1813 laut ausgesprochene Wunsch nach Wiedergewinnung des von Ludwig XIV. frech geraubten Elsaß erfüllt! Nach ! dieser Richtung muß man durchaus mit König Friedrich ^ von Württemberg sympathisieren, der eifrig für die Rück­nahme des geraubten Landes wirkte, und wenn er es auch >

für sich selber haben wollte, diese Wendung wäre jedenfalls besser gewesen als die Belaffung des echt deutschen Landes in fremder Hand, aus der es später nur mit blutigen Opfern zurückerobert werden konnte. Möge bei dem Könige auch das dynastische Interesse vorgewogen haben, mit-feinem schmerzlichen Ausruf hatte er doch recht:So sind alle Anstrengungen wieder umsonst gewesen, Süddeutschland ist so wenig gegen Frankreich geschützt, als es bisher war." Und ein merkwürdiges Wort finden wir in dem Berichte des Grafen Wintzingerode, der 1815 württembergischer Ge­sandter in Paris war. Was er über die vom Tugend­bunde drohenden Gefahren sagt, erscheint uns wohl über­trieben, stellenweise sogar komisch, aber es mutet uns doch wie prophetisch an, wenn er darauf hinweist, wie Preußen dahin gelangen könne, unter dem Einfluß der öffentlichen Meinung und des deutschen Volksgeistes eineRevolution" herbeizuführen,'die die Kaiserkrone auf das Haupt der Nachkommen des Burggrafen von Nürnberg setzen würde. Diese Proben genügen wohl, um erkennen zu lassen, welche Fülle neuer Aufschlüsse General von Pfister nicht nur dem Historiker von Fach, sondern auch jedem Freunde deutscher Geschichte eröffnet. Ob der Verfasser uns auf das Schlacht­feld führt oder uns den Einblick in das geheime Gewebe der Diplomatie gewährt, stets hält er das Interesse rege, und gegenüber den dunkeln, von kläglichem Eigennutz ge­sponnenen Fäden mag den Leser der Gedanke trösten, daß es doch besser geworden im Deutschen Reich.

Von den Kämpfen der längstvergangenen Tage gelangen wir auf die neuesten berühmten Schlachtfelder mit dem Thesfalischen Feldzug der Türkei" von vr. C. A. Fetz er. Den Lesern dieses Blattes ist der Autor wohl- bekannt, denn als im vergangenen Frühjahr die Wolken im Wetterwinkel Europas sich immer dichter zusammen­zogen, begab er sich auf den Kriegspfad, und was er auf der beschwerlichen Reife in das türkische Hauptquartier und auf den Schlachtfeldern beobachtete, das hat er unter Bei­gabe photographischer Momentaufnahmen anschaulich ge­schildert. Natürlich aber konnte er damals nur in der Flucht des Augenblicks arbeiten und keine zusammenhängende, Ursachen nnd Wirkungen nach voller Gebühr abwägende Darstellung geben. Eine solche bietet er jedoch jetzt dar, und wie er die militärischen Vorgänge mit den Augen des Fachmannes beobachtet und sachliche Schilderungen giebt, so erweckt er andrerseits mit seinen persönlichen Erfahrungen die lebhafte Teilnahme des Lesers, umsomehr, als er gern auch den Humor zu Worte kommen läßt. So ist das von zahlreichen Abbildungen und einer Karte des Kriegsschau­platzes begleitete Buch nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Geschichte des griechisch-türkischen Feldzuges, sondern auch eine unterhaltsame Lektüre. Fr. C.

Der RomanQuitt" von Johannes Richard zur Megede, den wir im Lause des Sommers in diesen Blättern veröffentlichten, liegt nunmehr, zu einem stattlichen Bande zusammengefaßt, als Buch vor. Unsre Leser werden das Erscheinen des interessanten Werkes in dieser Form zweifelsohne willkommen heißen, da sie ihnen Gelegenheit bietet, das von dem Verfasser entworfene, groß angelegte Lebensbild aus der nordöstlichen Grenzmark unsers Heimat­landes in der ganzen Geschlossenheit seiner Komposition an sich vorüberziehen zu lassen. Der Megedesche Roman hat noch während seines Erscheinens ungewöhnliches Aufsehen erregt und seinen Urheber, der sich schon günstig durch einige frühere Werke, namentlich den RomanUnter- Zigeunern" und die NovelleKismet", eingeführt, zu einer der allerersten Stellen unter unfern Erzählern vorrücken lassen. Megedes starkes Talent bekundet sich vor allem in dem scharfen und sicheren Blick, mit dem er das viel­gestaltige Leben der Gegenwart erfaßt, um sich aus ihn: die psychischen Probleme für seine Darstellung auszusuchen. Was er uns vorsührt, ist darum von einem Zuge der Wirklichkeit erfüllt, der sich nirgendwo aufdrängt, dafür aber überall mit impulsiver Gewalt wirkt. Seine Per­sonen sindhandelnde Menschen" im besten Sinne des Wortes, und sein Roman veranschaulicht ein Stück Menschen­schicksal so ergreifend und packend, wie es nur die Schöpfung eines berufenen Dichters vermag. Wenn das Werk bis­her schon Freunde in ungewöhnlich großer Zahl gefunden, wird es jetzt, wo es aus dem Kreise der beschränkten in den der weiteren Oeffentlichkeit übergeht, sich neue Scharen von solchen in stets größerem Umfange erwerben.

Weit ab aus der Gegenwart und der gewohnten Um­gebung führt uns Richard Voß in seinem neuesten Roman Der neue Gott", wohl dem eigenartigsten und glän­zendsten Werke, das der Feder des Dichters entflossen. In demselben zieht ein bedeutsames Stück Weltgeschichte an uns vorüber, der Beginn und die erste Ausbreitung des Christentums durch die Blutzeugenschaft, aber so, wie nur ein Dichterauge diesen Gegenstand zu erfassen vermag. Unsre Litteratur hat vielleicht nur ein Werk, das sich mit dem neuen Voßfchen Roman zusammenstellen läßt, Scheffels NovelleHugideo", in der wie hier die ganze Stimmung einer weltgeschichtlichen Epoche im engsten Rahmen zu­sammengefaßt wird. Was Voß uns giebt, ist das Ergebnis einer frei, gestaltenden Dichterphantasie, aber der Dichter hat zu dieser Vision nur dadurch gelangen können, daß er sich auf das tiefste und innigste in den Geist einer weit