politisches Wirken entscheidenden sozialen Erfahrungen gesammelt hat: im Erlebnis des ungeheuren Elends, das Wilhelm Wolff, der aus der radikalen Breslauer Burschenschaft hervorgegangene spätere Kampfgefährte von Marx und Engels, zu Beginn der vierziger Jahre in seinen Zeitungsberichten über die „Kasematten", das Arbeitshaus im Hinterland des Weberelends in Schlesien, einem entsetzten Publikum enthüllte. Besonderen Einfluß auf die Entwicklung des Studenten gewann die vielseitig anregende Persönlichkeit des Botanikers, Naturphilosophen und radikal demokratischen, aus christlich-sozialem Engagement mit der Arbeiterbewegung sympathisierenden Politikers Christian Gottfried Nees von Esenbeck (1776—1858), der noch mit Goethe im wissenschaftlichen Briefwechsel gestanden hatte.
Wohl nicht zufällig setzte Weiß sein Studium im badischen Heidelberg fort, wo sich zuerst in Deutschland eine demokratische Bewegung zu formieren und vom kompromißbereiten Liberalismus zu lösen begann. Hier wurde er Mittelpunkt eines Kreises junger Oppositioneller, in dem er eine lebenslange Freundschaft schloß mit Hermann Becker, dem „roten Becker", später Mitglied des Bunder der Kommunisten und im letzten Lebensjahrzehnt nationalliberaler Oberbürgermeister von Köln, und dem späteren vulgärmaterialistischen Philosophen Jakob Moleschott. In dieser Zeit wurzeln die guten Beziehungen von Weiß zu den süddeutschen Demokraten, die ihn nach 1848 in besonderem Maße dazu drängten, engere Kontakte zwischen den norddeutschen, vor allem preußischen Demokraten und denen in Wüttemberg und Baden herzustellen, was aber angesichts der dort herrschenden antipreußisch-föderalistischen Tendenzen immer wieder scheiterte. Erfolgreicher war er im Bemühen, zumindest ein in Grundfragen geschlossenes Auftreten der demokratischen Publizistik herbeizuführen, wie er es selbst durch die gleichzeitige Arbeit an der „Vos- sischen" und „Frankfurter Zeitung" wie durch die Wahl der Autoren für „Die Wage" praktizierte.
Die letzte Zeit seines Studiums verbrachte Weiß in Berlin, wo er 1844 promovierte und zunächst plante, sich für Geschichte der Medizin zu habilitieren. Aus der Einsicht, daß eine akademische Karriere und aktive politische Arbeit in Preußen nicht vereinbar sein würden — Rudolf Virchow sollte dies ‘1848/49 deutlich erfahren —, und unter dem Eindruck der sich verschärfenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen wandte er sich ganz der Pressearbeit zu. In der Revolution gehörte er zu den Aktivisten der radikalen Demokratie: im Zusammenhang mit den Volksunruhen nach der Verhaftung Waldecks, des Führers der kleinbürgerliche^ Demokratie Berlins, im Mai 1849 wurde er inhaftiert und von einem Kriegsgericht zu drei Monaten Gefängnis verurteilt — erstes Glied einer langen Kette von Konflikten mit der Staatsgewalt, die ihn danach als verantwortlichen Redakteur wiederholt hinter Gitter brachten. Erste Station seiner journalistischen Laufbahn war die „Vossische Zeitung" gewesen, wo er als Korrektor und Nachtredakteur begann und später Parlamentsberichterstatter war. In einem biographischen Nachruf schrieb die „Frankfurter Zeitung" am 16. 1. 1899 über diese Anfänge des Journalisten: „Die Berichte von Weiß über die Sitzungen des Abgeordnetenhauses in den 1850er Jahren erregten bald allgemeines Aufsehen. Er wußte die Niederträchtigkeit und Hinterlist der widrigsten Reaktion, die Preußen je erlebt hat, in der Ausarbeitung der Reden der liberalen Opposition so scharf zu geißeln wie
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