brechen und ein in Freiheit geeintes republikanisches Deutschland die — wenn auch vielleicht späte, doch sichere — Frucht der Erkenntnis sein." 1 ® In der kritischen Denunzation des „glänzenden Elends" in den politischen, sozialen und geistig-kulturellen Strukturen und Tendenzen des sich konstituierenden Kaiserreichs, in ihrem sozialen Engagement und in ihrer Weltoffenheit liegt das geschichtliche Verdienst dieser äußerlich so bescheidenen Zeitschrift, die in ihren besten Jahren nicht mehr als etwa 300 Abonnenten besaß. Auch für sie gilt, was Walter Wittwer über die 1885 unter Mitwirkung von Weiß zustande gekommene Demokratische Partei resümiert: Obwohl sie „nur für einen kurzen Zeitraum existierte und ohne sichtbaren Erfolg wirkte, trug sie zur Bewahrung kleinbürgerlich-demokratischer Ideen und ihrer Fortentwicklung unter neuen gesellschaftlichen Verhältnissen wesentlich bei." 18a
Zu der relativ kleinen Schar von Mitarbeitern der Zeitschrift zählten Bruno Bauer, Karl Grün, Ludwig Walesrode, der Germanist Victor Hehn sowie der Anglist und Romanist Friedrich Kreyßig; neben dem später bekannten Leipziger Nationalökonomen und Gründer des ersten deutschen Instituts für Zeitungswissenschaft Karl Bücher war auch Fontanes früher Leipziger Freund Max Müller aus Oxford gelegentlicher Mitarbeiter. Von April 1874 bis Juni 1875 war Franz Mehring Mitredakteur und aktiver Beiträger der Zeitschrift; vor allem in der Mitte dieses Zeitraumes, als Weiß an Typhus erkrankt war, hat er ihr Gesicht weithin geprägt. Ein Grundprinzip der „Wage", authentische Information durch Dokumentation zu geben, gewann besondere Bedeutung in der Frühzeit des Sozialistengesetzes, wo sie an die Seite der Verfolgten trat und ihren Kampf durch ausführliche Berichte über die Positionen der Partei und Hinweise auf ihre Veröffentlichungen unterstützte. Unter den Auswirkungen der antisozialistischen und antidemokratischen Hysterie, die die Reaktion zur Durchsetzung ihrer Politik schürte und die offenbar manchen Abonnenten vertrieb, mußte die Zeitschrift im Frühjahr 1879 ihr Erscheinen ein- nstellen. Weiß arbeitete fortan als freier Mitarbeiter, vor allem an der „Vossischen“ und der „Frankfurter Zeitung", wo er bereits 1872/73 das Ressort der Außenpolitik geleitet hatte; mit ihrem leitenden Redakteur Josef Stern, 1882—85 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, war die Tochter von Weiß verheiratet. Sie starb nur kurze Zeit nachdem die Begegnung mit Fontanes Frau in Kissingen den kurzen Briefwechsel Fontanes mit Weiß eröffnet hatte. Dies mag, verbunden mit der in den achtziger Jahren einsetzenden Erblindung von Weiß, die Weiterführung ihrer Korrespondenz verhindert haben.
Als zu Beginn der achtziger Jahre das Bismarck-System in eine akute Krise geriet, war mit der Linksschwenkung großer Teile von Bürgertum und Kleinbürgertum nochmals die Chance für eine eigenständige demokratische Partei gegeben. Die Notwendigkeit dazu wurde verstärkt durch das demagogische Vorgehen der rechten Kräfte in der Fortschrittspartei um Eugen Richter, die unter der Losung, eine umfassende und starke liberale Partei schaffen zu wollen, sich im Frühjahr 1884 mit der seit 1880 von der Nationalliberalen Partei abgespaltenen „Liberalen Vereinigung" zur Deutschen Freisinnigen Partei zusammenschlossen, wodurch die Volksbewegung abgewiegelt und der kompromißbereite Flügel der Bourgeoisie gestärkt werden sollte. Bereits die erste wesentliche Aktion der neuen Partei — ihr Abstimmungsverhalten im
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