Angesichts der noch ausstehenden bio-bibliographischen und analytischen Erschließung von Guido Weiß erhalten zeitgenössische Berichte und Erinnerungen über seine Persönlichkeit und sein Wirken zentrale Bedeutung für die Beantwortung der Frage, welches Bild Fontane von ihm hatte gewinnen können und wie der nach dem Tenor seiner Briefe vorauszusetzende persönliche oder doch intensiv vermittelte Kontakt zu ihm entstanden sein mag. Dabei wird zunächst auszugehen sein von der jeweils kurzfristigen und, wie von Charlotte Jolles dargestellt, problematischen Mitarbeit Fontanes am Feuilleton der „Vossischen Zeitung" 1856 und 1859, im weiteren aber von der großen und von keiner Seite bestrittenen verdienstvollen Rolle, die Weiß im Pressewesen der preußisch-deutschen Hauptstadt gespielt hat. „In dem anfangs der sechziger Jahre begründeten Verein Berliner Presse hat er von Anfang eine führende Stellung eingenommen und bis zu seiner Übersiedlung nach Frankfurt am Main behauptet", heißt es im Erinnerungsbericht des Publizisten Isidor Kastan über die Presse der Hauptstadt. „Er hat das zarte Pflänzlein sorgsam betreut und vor gefährlichen Stürmen behütet. Daß der neue Journalisten- und Schriftstellerverein, denn als solcher trat er damals ins Leben, die schweren Kinderkrankheiten überstehen konnte, war nicht zum wenigsten Weiß' Verdienst. Er war ein ausgezeichneter Verhandlungsleiter, der selbst die Widerstrebendsten unter dem Federvolk fest in den Zügeln zu halten verstand. Weiß war einer der besten Vorsitzenden im Verein Berliner Presse; er hat an der Schaffung seiner ersten, allerdings noch recht bescheidenen Wohlfahrtseinrichtungen tatkräftig Anteil genommen. Mit der Entwicklungsgeschichte des Vereins Berliner Presse ist der Name Guido Weiß unauslöschlich verknüpft." 21 Selbst wenn Fontanes gelegentliche Äußerung, er sei „noch nie in dem Verein .Presse' gewesen" 22 , zutreffen sollte — sie darf füglich bezweifelt werden, gehörte er doch neben Hesekiel, der Gründungsantrag und Satzungsentwurf formuliert hat, Julius Faucher und Weiß zu den „Stiftern" des Vereins, der auch die Feier zu seinem 70. Geburtstag mit trug — konnte er vom Wirken Weiß' nicht unberührt geblieben sein: daß es in Berlin nach Fontanes Urteil „eine gewisse Zeitungssolidarität" gab, „die durch die Parteifarbe wenig beeinträchtigt wird" 23 , wäre nach diesem Bericht auch ein Verdienst von Weiß, der ab 1892 eine der ersten Alterspensionen des Vereins erhielt.
Dieser Rolle im Verein entspräche, was über seinen Einfluß auf jüngere Mitarbeiter und Kollegen überliefert ist. „Um diesen geistvollen Schriftsteller", schreibt unser erster Gewährsmann, „scharte sich eine Anzahl jüngerer aufstrebender Talente, die allesamt ihrem Führer mit einer herzlichen Ergebenheit anhingen"; wobei er hervorhebt, daß Weiß „seinen Mitarbeitern vollste Freiheit (ließ), sich nach ihrer Eigenart zu entwickeln. Unvergeßlich bleibt die Art, wie er an den ihm übergebenen Arbeiten hier und da Verbesserungen anbrachte, kleine Lichter aufsetzte, durch ein hinzugefügtes Wort dem Gedanken einen schärferen Ausdruck verlieh... In Guido Weißens Schule, wenn dieses Wort auf dessen Art überhaupt angewendet werden darf, hat mancher sein Bestes gelernt, dem später in der breiten Öffentlichkeit eine ansehnliche Rolle zu spielen beschieden war." Weiß fühlte sich nicht nur für die fachliche Ausbildung seiner Mitarbeiter verantwortlich, sondern auch für ihre berufliche Entwicklung, bei der er sich uneigennützig als Vermittler einschaltete. Wie er