an den kritischen Punkt 1876 gekommen war. Eine Grundtendenz auch der bis in seine letzten Lebensjahre anhaltenden Weiterarbeit an den „Wanderungen' — und dies deutet selbstverständlich auf die tiefere innere Übereinstimmung der Positionen von Weiß und Fontane im Literaturprozeß ihrer Zeit — ist die Vertiefung des unverwechselbar Märkischen: für diese Leistung des reifen Fontane hat gerade die dem Naturalismus nahe junge Generation eine besondere Empfänglichkeit und Hochachtung bewiesen, man denke etwa an die großen Arbeiten von Maximilian Harden und Wilhelm Bölsche von 1889 beziehungsweise 1898. Wesentlich ist der Hinweis auf die „provinziale" märkische Dichtung aber vor allem für eine neue Aspekte erschließende Analyse der Voraussetzungen des Erzählers Fontane. Die Erzählungen von Franz Ziegler wie die von Mark Anton Niendorf, auf die Weiß in seinem Essay von 1889 zusätzlich verweist, sämtlich entstanden und veröffentlicht während der langen Inkubationszeit von „Vor dem Sturm", lassen neben interessanten Themen- und Figurenbezügen zum Werk Fontanes auch umfangreiche Stoff- und Problemkomplexe bewußt werden, die Fontane gänzlich ausblendete, wobei ungeachtet einer in unterschiedlicher Weise naiven Erzähltechnik einige dieser Erzählungen durchaus menschlich-poetischen Reiz und vor allem eine beträchtliche kultur- und sozialgeschichtliche Aussagekraft besitzen. Die Fruchtbarkeit einer vergleichenden Betrachtung dieser Erzähler — auch Hesekiel sollte nochmals einbezogen werden, so sehr Weiß' Position ihm gegenüber berechtigt erscheint — liegt auf der Hand; aus ihr wäre ein noch deutlicheres Verständnis der besonderen Leistung Fontanes und des zeitgenössischen Standards zu gewinnen, von dem er sich durch die Intensität seiner Arbeit offenbar in ähnlicher Weise zu entfernen bemüht war wie als Verfasser Berliner Romane vom „Berliner Roman". Auch in diesem Fall bedeutete ja — wie der Brief an Weiß bestätigt —- die Nichterwähnung dieser Autoren in seiner Selbstverständigung keineswegs, daß Fontane sie nicht zur Kenntnis genommen hätte.
Auf den letzten Seiten der Rezension stellt Weiß kritisch-engagiert und mit umfangreicheren Auszügen einige der Erzählungen Zieglers im einzelnen vor. Dabei hebt er die zentrale Rolle hervor, welche die Periode von 1806 bis 1815 als Stoff spielt, jene Zeit, „wo die Weltgeschichte selbst in ihren unmittelbarsten Gestaltungen vor dem Dorfjungen vorüberzog und ihm unverlösch- bare Lehren ins Herz grub". Einen wichtigen Platz erhält dabei die „schönste und vollendetste der Ziegler'schen Arbeiten" — sie hat auch am längsten Zieglers Namen in den Literaturgeschichten lebendig erhalten — „Landwehrmann Krille", 1864 in der „Vossischen Zeitung" und 1865 als Einzelausgabe bei Franz Duncker erschienen, gewürdigt als „ein Stück aus dem Seelenleben der Niedersten im Volke, ein Bild des Ehrgefühls und Pflichtbewußtseins, so einfach und erhaben, daß es unter die Schmuckstücke der deutschen Darstellungen aus dem Volk gehört.. .'
An das Ende unseres Teilabdrucks wird der letzte Abschnitt der Rezension gestellt, der noch einmal die Verknüpfung von Politik und Poesie im Wirken dieses wie Weiß fast vergessenen Mannes charakterisiert und zugleich ein Beispiel ist für Weiß’ Schreibart als Signum dessen, was über sein Wesen überliefert ist. Ebenso wenig wie das scharfe Wort hat er den aus dem Herzen kommenden persönlichen Ton gescheut, so daß auch deshalb seine besten Arbeiten jenen „seltenen Vorzug" besitzen, den Gottfried Keller an Jeremias
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