Gotthelf rühmte: „daß er seinen Stoff immer erschöpft und entweder mit einer zarten und innigen Befriedigung oder mit einer starken Genugtuung zu krönen versteht" 32
Der Essay „Musen und Grazien in der Mark" und Fontanes Brief vom 14. 8. 1889 ergeben ein dichtes und relativ geschlossenes Bild der Übereinstimmung und des Dissenses, so daß in diesem Rahmen kein einläßlicher Kommentar notwendig ist. Der Essay behandelt zunächst die märkische Dichtung an deren bahnbrechenden Repräsentanten Willibald Alexis, wobei, gleichsam den zweiten Teil vorbereitend, die historisch-politischen Wirkungen dieses Autors das Zentrum bilden. Überraschend an Weiß’ Sicht der Preußenrezeption um 1848 ist — wohl dem Essay-Charakter der Arbeit geschuldet — die deutliche Über- zeicknung der initiatorischen Rolle von Alexis, das Fehlen eines Hinweises auf Hegel und die Junghegelianer wie auf die Lessing-Monographie von Adolf Stahr (1858), bei der, worauf Mehring in seiner „Lessing-Legende" (1893) nachdrücklich hingewiesen hat, „keine geringeren als Johann Jacoby, Ferdinand Lassalle und Franz Ziegler" die „sehr fürnehmen Paten" 33 gewesen waren. Den Ausführungen über Alexis folgt eine bei aller Hochschätzung im Vergleich zur Rezension von 1874 eher zurückhaltende Würdigung Zieglers. So fällt besonders auf, daß Fontanes Antwortbrief eine zwar in fragender Haltung vorgetragene, in ihrem Tenor aber doch ebenso deutliche wie unangemessene Distanzierung von Ziegler enthält. Sie zielt offenbar weniger auf Zieglers literarisches Schaffen — hier wäre die Warnung vor einer Überschätzung durchaus diskutabel — als auf dessen Charakter. Eine Parallele zu Fontanes Haltung gegenüber Ludwig Pietsch scheint sich anzudeuten 3 ' 1 — einem anderen Demokraten von 1848, dem bei ähnlich schwierigen StarJ- bedingungen 1850 ein Weg erspart geblieben war, der Fontanes Kompromiß mit den Feinden von gestern vergleichbar gewesen wäre. Im Gegenzug ließe sich die polemische Frage stellen, ob nicht auch die Entwicklung Fontanes insgesamt die eines .echt märkischen Schlaubergers' gewesen sei.
Der in unserem Kontext zentrale Gehalt des Essays ist die weitgehende Revision eines Fontane-Bilds, zu der sich Weiß im Nachvollzug der Entwicklung gedrängt sah, die Fontane seit 1874 genommen hatte: sie wird getragen von der differenzierten, nunmehr von hohem Respekt erfüllten Sicht der weltanschaulich-politischen Position des Dichters, Schriftstellers und Kritikers Fontane wie der spezifischen Substanz seines dichterischen Werkes. Die Breite der Fontane-Kenntnisse, welche diese Revision bewirkte, zeigt, daß die fast abschätzige Geste, mit der Fontane seinerzeit bedacht worden wir, Weiß' Interesse an diesem Autor nicht beendete, sondern daß er dessen Weg weiterverfolgt hatte. Eine wesentliche Voraussetzung dafür mag es gewesen sein, daß Fontanes Kontakt zur „Vossischen Zeitung", an der Weiß bis in die neunziger Jahre mitarbeitete, seit dem Ende der siebziger Jahre immer enger geworden war. Zur Stellung des Theaterkritikers war die Mitarbeit als Erzähler und Literaturkritiker getreten, nicht zuletzt hatte sich rasch ein von beiderseitigem Vertrauen getragener Umgang mit Friedrich Stephany wie mit den jungen Kritikern und Germanisten Brahm und Schlenther entwickelt, die in ähnlicher Weise wie Guido Weiß und auch Ludwig Pietsch zugleich für die „Frankfurter Zeitung“ schrieben. Nicht ohne Stolz berichtete die „Geschichte der Frankfurter Zeitung" (1906): „Von der Wandlung der jungen Literatur-