historiker Brahm und Schlenther, die als Wilhelm Scherers und Erich Schmidts Schüler die Biographen Heinrich von Kleists und der Gottschedin geworden waren, zu den Gründern der .Freien Bühne', die im Frühjahr 1889 in Berlin erstand, bietet das Feuilleton der Frankfurter Zeitung jener Tage ein Spiegelbild." 35 An gleicher Stelle wird betont, daß eine Eigentümlichkeit des Feuilletons der „Frankfurter Zeitung" sein „enger Anschluß an die Politik gewesen sei. Es zählte sehr viele mehr oder weniger politische Artikel, und offenbar nicht nur deshalb, weil die meisten Jahre hindurch ein politischer Redakteur auch das Blatt unterm Strich leitete." Die „hervorragendsten Mitarbeiter des Feuilletons" seien „ausgeprägt politische Persönlichkeiten" gewesen.
Es bezeichnet Fontanes Standort 1889, daß ihm nicht nur die literarhistorische Einordnung in Weiß' Arbeit „unendlich wohl" tat, sondern daß er auch die pointierte Würdigung seiner Kritik am märkisch-berlinerischen „Radau-Patrio- tiosmus" im Parteiblatt der deutschen Demokraten und aus der Feder einer so „ausgeprägt politischen Persönlichkeit" wie Weiß nirgends mit Unbehagen registriert, sondern ausdrücklich begrüßt hat: ja, in seinem Brief an die Tochter vom 19. 8. 1889 hat er seiner von Weiß zitierten Kritik einen noch viel weitergehenden Bezug gegeben, als er von Weiß unterstellt werden konnte, so daß sie nunmehr auf das offiziöse Selbstverständnis des wilhelminischen Reiches insgesamt zielte. „Der Aufsatz ist ausgezeichnet", schrieb er an seine Tochter Martha, „was ich sagen würde, auch wenn ich gar nicht darin vorkäme; wir befinden uns über so vieles in unserm künstlerischen, politischen, ja auch wissenschaftlichen Leben (.Deutsche Wissenschaft'; nieder mit jedem, der da nicht ehrfurchtsvoll erbebt!) in einem so tiefen chauvinistischen Irrtum, daß es einem ordentlich wohltut, diese Dinge mal von einem freieren Geiste beurteilt zu sehen." 30
Wie weit die innere Übereinstimmung zwischen Weiß und Fontane ging, beziehungsweise wie genau der kritische Publizist die Entwicklungstendenz im Verhältnis des Dichters zur Gegenwart erkannt hatte, belegt aber vor allem die Tatsache, daß es Weiß wagen konnte, den Bezug der von ihm herangezogenen Passage des Theaterkritikers Fontane beinahe auf den Kopf zu stellen, ohne dessen Protest hervorzurufen. Fontanes entschiedene Absage an den „märkischen Radaupatriotismus" hatte sich nämlich keineswegs unmittelbar auf Wildenbruchs „Die Quitzows" bezogen, wie Weiß ausdrücklich erklärt: im Gegenteil hatte er dieses Stück nicht nur wegen seiner poetischen Qualitäten aus dem übrigen Schaffen Wildenbruchs herausgehoben'— es sei „voll Wahrheit und Leben" sowie „erhebender Schönheit" und werde „bleiben", wenn dessen andere Dramen „über kurz oder lang weggefegt sein" würden —, sondern gerade wegen seines nicht provinziellen, deutschen Charakters. „... um dieser seiner Vorzüge willen paßt es überall hin, so daß ich denen nicht zustimmen kann, die geneigt sind, bloß von einem Berliner oder höchstens von einem brandenburgischen Stücke zu sprechen. Nein, es ist ein deutsches Stück, das als solches weit über die Territorien zwischen Havel und Spree seinen Siegeszüg machen und alle partikularischen Gefühle — wohin vor allem auch der Provinzialpartikularismus unserer altpreußischen Provinzen gehört — siegreich überwinden wird." 37
Auf diesen Gedanken war Fontane dann einige Wochen später zurückgekommen, als er das Drama „Friedrich von Hohenzollern und die Quitzows" zu
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