besprechen hatte. Dessen Autor Wilhelm Wendlandt konnte er höchstens gute Absichten zubilligen, das Stück selbst, Flickwerk ohne Genie und ohne den Geist der Geschichte, registrierte er nur als „Probe aufs Exempel", daß Wildenbruch, „all seinen Anfechtbarkeiten zum Trotz, seine Sache versteht", und in seinem Stück über die Quitzows „nun schon ganz gewiß". Ausgehend vom großen Erfolg dieses Werks in Berlin wiederholte er dann, seine damalige optimistische Prognose freilich vorsichtig relativierend: „Ob sich, was ich nach der ersten Aufführung als eine Hoffnung aussprach: ein Siegeszug über alle größeren deutschen Bühnen bis in nächster Zeit erfüllen wird, weiß ich nicht, aber die Möglichkeit schien mir damals wenigstens vorzuliegen und gründete sich auf das große dramatische Kunstmaß, mit dessen Hilfe Wildenbruch es verstanden hat, einen dem großdeutschen Geschmack eigentlich wider- streitenden, ja manchenorts geradezu widerwärtigen Stoff doch ebendiesem Geschmacke schmackhaft zu machen, nicht durch sein Märker- und Berliner- tum, sondern trotz desselben." Mit den Worten, dies sei der Punkt, an den er „noch einige Bemerkungen knüpfen und zu Maß und Vorsicht mahnen möchte" 38 , leitet er darauf zu der von Weiß zitierten Partie über, deren eindeutig auf Wendlandts schwaches Stück bezogenen Tenor jener in nicht unproblematischer Weise auf Wildenbruch zurückbezieht. Daß Fontane, in dessen Überlegungen vielleicht sogar die Keimzelle für den gesamten Essay von Weiß erblickt werden kann, dagegen keinen Widerspruch erhebt, bedeutet eine nachdrückliche Rechtfertigung dieses kühnen, aber, wie sich zeigte, sachlich wohlfundierten Verfahrens.
Die Mitte des Aufsatzes, die wohl am stärksten Interesse und Zustimmung Fontanes finden mußte, bilden die Ausführungen von Weiß zum Berliner Roman. Auch sie könnten sein aktueller Ausgangspunkt gewen sein, schließen sie doch an die nicht zuletzt durch Fontanes „Irrungen, Wirrungen" geförderte Diskussion dieses Themas an. Zur Überprüfung regt die These Weiß' zum gleichsam kulturpolitischen Hintergrund dieses Romantyps an, die seine Anmerkungen zur nationalliberalen Ästhetik und Kritik von 1974 weiterführt. Sein Urteil über den Berliner Roman bewegt sich deutlich im Umfeld der Überlegungen Fontanes wie auch der Kritiken von Brahm und Schlenther. Fontanes Brief an Lindau vom 3. 11. 1886 wie seine Rezension von dessen „Der Zug nach dem Westen" (am 27. 12. 1886 in der „Vossischen Zeitung") zeigen seine Distanzierung von einem Typ des „Berliner Lebens- und Gesellschaftsbilds", in dem „das Zuständliche, die Szenerie" die „Hauptsache" darstellte: „heute sind die Gestalten, die Charaktere Hauptsadle." 39 Im April 1886 hatte Paul Schlenther in seiner Kritik „Neue Novellen" in der „Deutschen Rundschau" das Streben vieler Erzähler, „modern und real zu sein" und eine „Berliner Localliteratur" zu schaffen, ausdrücklich begrüßt, zugleich aber an den rezensierten Werken von Heyse, Lindau, Frenzei und Dernburg bemängelt, daß „das Berlinische mehr in den Details als in der Hauptsache, mehr in den ausgedehnten Schilderungen als in der Handlung" (S. 156) hervortrete. Besonderes Interesse verdient der Schluß dieser Besprechung, wo es heißt: „Wie es bei allem Neuen nicht anders ist, greifen noch viel Unberufene nach der Siegespalme, und von den durch Talent, Weltkenntnis und Bildung Berufenen irrt mancher noch in manchmal sehr dunklem Drange.. . Und betrübend ist es nur, daß so mancher der Allerfestesten und Längsterwählten
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