wie Fritz Mauthner, Maximilian Harden und Wilhelm Bölsche. Solche Übereinstimmung belegt die Elemente der Kontinuität zwischen bürgerlichen Demokraten des Vormärz und der Revolution und der oppositionellen jungen Generation, die ihre bestimmenden Erfahrungen aus der sozialen, politischen und geistigen Krise seit Mitte der siebziger Jahre empfangen hatte. Die fördernde Rolle, die diese Presse für die Entwicklung des Erzählers Fontane gespielt hat, korrespondiert mit ihrer bahnbrechenden Rolle bei der Einführung und Durchsetzung des Naturalismus und mit der Tatsache, daß zahlreiche linksbürgerliche Germanisten vor allem in der „Frankfurter Zeitung" eine erste Basis fanden, von der aus sie für das von der Bourgeoisie aufgegebene revolutionär-demokratische Erbe sowohl der deutschen Literatur (Börne, Heine, Junges Deutschland) als auch von politischen Persönlichkeiten wie Johann Jacoby wirken konnten 42 . Zu denken ist hier an Ludwig Geiger, Johannes Proelß, Alfred Klaar und Ernst Elster, aber auch an den Historiker Gustav Mayer, der später den Prozeß erforschte, in dem sich die Arbeiterbewegung von der bürgerlichen Demokratie in Deutschland gelöst hat. 43 Weif) hat wiederholt auf die Wirksamkeit nationalliberaler Kulturpolitik im Wilhelminischen Reich aufmerksam gemacht: dies sollte ein Anstoß sein, der Frage nach einem vergleichbaren immanenten wie expliziten Konzept der demokratischen Kräfte im 19. Jahrhundert und dabei insbesondere den Beziehungen nachzugehen, die im Zeitraum von Büchner bis Fontane zwischen den realgeschichtlichen Perspektiven demokratischer Politik einerseits und der individuellen Verbindlichkeit volksverbunden-humanistischer Autorenpositionen sowie dem Gesellschaftskonzept und Menschenbild eines auf die knkrete Wirklichkeit verpflichteten bürgerlichen Realismus andererseits bestehen. Daß dabei, korrespondierend mit der problematischen Stellung der bürgerlichen Demokratie zwischen Bourgeoisie und Proletariat, das Maß der Fähigkeit politisch-soziale Perspektiven außerhalb der gegebenen Gesellschaftsordnung zu erkennen und gestalterisch zu integrieren, eine wesentliche Rolle spielen mußte, liegt auf der Hand. Die aus solchen Wechselbeziehungen entstehenden ästhetischen Probleme mußten umso größer sein, als gerade die mit der demokratischen Bewegung des 19. Jahrhunderts verbundenen Autoren, neben Fontane auch Raabe, Spielhagen und Storm, an einem aufklärerisch-klassischen Funktionsverständnis der Kunst festhielten, das sie zur — wie auch immer partikulären, stets aber sinnstiftenden — Integration eines alternativen Menschenbilds verpflichtete. Auf der Basis der gemeinsamen künstlerischen Orientierung auf «das Leben, das wir führen", hieß das, daß die Autoren gezwungen wurden, gleichsam nach Rollen innerhalb des Vorgefundenen sozialen Panoramas zu suchen, in deren Gestaltung Elemente eines solchen Menschenbilds integriert werden konnten, zusammengefügt aus Erinnerung, Hoffnung der Zukunft und autobiographisch-bekenntnishaften Zügen. Viele der Frauengestalten wie auch einzelne Adelsfiguren Fontanes oder auch sein Professor Schmidt in „Frau Jenny Treibei" erhalten von hier aus ihre Ambivalenz, wobei Willibald Schmidt mit seinem Kollegenkreis eine Brücke bildet zu den äußerlich philiströsen Originalen Raabes, die Demokratismus und kritische Freiheit ihres Autors bewahren, wobei dessen Verständnis dieser Figuren als des eigentlichen «deutschen Adels" gleichsam wieder zu Fontane zurückführt.
Heft
(1987) 44
Seite
627
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