sich diese Partei auch in der Ethik und Ästhetik wieder, sie schont eben, als Fäulnißerscheinung, nicht Haut, nicht Fleisch, nicht Knochen. Diese Kritik hat — und diesmal rührt der Vorwurf nicht von einem Autor her, in welchem Falle er gewöhnlich nicht viel zu bedeuten hat — die Ziegler'schen Novellen todtgeschwiegen, weil sie politische Novellen sind und zwar anderer Farbe als jetzt gerade Mode ist. Nun besitzt aber, in natürlichen Nachwehen dessen, daß unsere große klassische Literatur eine vorrevolutionäre ist, Deutschland von wirklicher politischer Belletristik blutwenig, dafj schon darum Aufmerken Noth thäte. Dazu kommt, dafj es hier nicht ein Belletrist ist, der, weil es ihm etwa zeitgemäß vorkäme, seine Helden mit etlichen liberalen Phrasen ausstattete oder gar ihnen das neue deutsche Reich auf den Leib construirte, wie einen neuen Lappen auf die alte Jacke — an dergleichen wäre allenfalls Vorrath in der modernen Literatur —: sondern es ist ein im politischen Leben hart erfahrener Mann, der die Dichtung nicht ohne die Wahrheit versteht. Es ist endlich, wie sich nun eigentlich von selbst versteht, eng begrenzte Zeit und eng begrenzte Boden, aus denen die Dichtung erwächst, es ist eigenes Leben, das da pulsiert, kein Andrer schreibts ihm nach.
Aber der dichterische Werth! ruft man uns dazwischen. Gemach, lassen wir den Verfasser selbst reden. Da sagt er in Meine erste Rebellion: „ .. . Lächelt nur über die Mark und die Märker. Über ihre hohen Tugenden wagt ihr nicht mehr zu lächeln, und ich nehme das Verdienst für mich in Anspruch, daß ich der erste gewesen bin, der mit unverhüllter Dreistigkeit für uns den Mund geöffnet hat, gleichgültig ob gut oder schlecht. Also noch ein Beweis: wir haben eine märkische Nachtigall, Willibald Alexis, ferner zwei kleine Sprach- meister, recht ächte märkische Singvögel, die lieblichen Grasmücken Hesekiel und Fontane, und einen heiseren Rohrsperling, mich selbst. Alle vier sind wir, wie ich glaube — denn ich habe die Männer noch nie gesehn — einig in märkischer Gesinnung und doch sind die beiden Alten, Alexis und ich, resp. Liberale und Demokraten, und Fontane und Hesekiel, die Jüngeren, sind conservativ.
.Wie geht das zu?'
Weil wir als Knaben die Luft von 1813 eingesogen haben, diese aber der Zeit der Reaktion angehören. So ist Jeder ein Kind seiner Epoche und sollte auch dieser heraus beurtheilt werden. Und nun kommt Ihr jungen Leute noch und neckt mich mit meiner märkischen Haferflöte? Auf Alles muß ich nun einmal mit einer Geschichte erwidern:
Wir hatten in der literarischen Gesellschaft ein Meisterstück von Goethe gelesen; ich führte einen alten Superintendenten, der zuweilen zu Hochzeiten ein Gedicht gemacht hatte, nach Hause. ,Ach!' rief er plötzlich aus, indem er Stillstand und mich ansah: .lieber Ziegler! dieser Goethe — ja, wer nur Zeit gehabt hätte, aber diese abscheulichen Superintendenturgeschäfte!'
Ich, damals junger Vorlaut, glaubte vergehen zu müssen vor Lachen! Und nun? Seid doch erst zwölf Jahre Rechtsanwalt und oberbürgermeistert dann erst lange Jahre, dekretiert einmal, wenn die Gasse nicht gefegt, der Spritzenschlauch nicht gethrant ist, regelt die Registratur und die Kassen, beschäftigt Euch so lange geistreich und dann noch mit Politik, leidet Untersuchung, und Alles, was drum und dran hängt, und dann dichtet einmal!
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