Heft 
(1987) 44
Seite
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das alte Hochstift Münster' 10 wieder unter Eine Krone komme. Denn das histo­risch Gewordne hat für diese Demokratie einen hohen Werth, wie sie denn eben selbst durchaus historisch Gewordne ist. Aus der willkürlichen Gabe Friedrichs des Zweiten, aus dem Allgemeinen Landrecht' 1 ', hat sie ihre ersten Begriffe geschöpft und mit Stolz ist sie sich bewußt, daß hierin vor 1789 bereits die Ideen der Revolution ausgesprochen gewesen sind. Von dem Welt­gange, den diese dann mit und unter Napoleon machte, haben die altpreußi­schen Landestheile nichts Anderes zu verspüren gehabt, als die unbeschreiblich schweren 'Lasten des auf erschöpftem Boden hausenden Krieges, die Vortheile der modernen französischen Gesetzgebung kamen den unter preußischem Scepter verbliebenen Provinzen nicht zu Gute. Statt dessen kam jene große stille Revolution durchaus preußischer, monarchischer Natur, die von 180613 sich in den Seelen der Einzelnen ebensowohl wie in dem gesammten Staats­wesen vollzog: die Stein-Hardenbergsche Gesetzgebung, in deren Traditionen heute noch wesentlich das wurzelt, was später unter dem Anprall der Reaction sich zur preußischen Demokratie verhärtet hat. Diese historische Gebunden­heit, an welcher die süddeutsche Demokratie nicht leidet, ist es, die das Ver­ständnis von Nord und Süd so hart erschwert. Der Föderalismus ist dem Preußen, Pommern, Märker, Schlesier obwohl 1848 von einem Wiederabfall an Österreich gefabelt wurde etwas schlechthin Unbegreifliches und das eine einheitliche Reich mag und kann er sich auch nicht anders, denn als Groß­preußen, denken: nun, und die Geschichte gibt ihm ja mehr und mehr Recht. Das will gemerkt sein, um danach das Maaß der Hoffnungen zu bemessen, die der Demokratie in Deutschland auf vielleicht noch lange Zeit hinaus nur blühen und wenn einer unserer süddeutschen Freunde sich über Ziegler's Schriften hermachen und ehrlich sagen wollte, was ihm darin auf- und anstößt, so würde das die Tiefe der verschiedenen Anschauung sehr lehrreich klären. Wir nennen Ziegler, weil in ihm das poetische Beiwerk am wenigsten störend sein würde. Denn wer freilich in die Fülle der Gestältungskraft, in Schwung und Farbenglut der Schilderung, in feine und überraschende Kunst der Ver­wicklung und Lösung das ganze und alleinige Wesen der Poesie legt, der wird zur Begeisterung an diesen Erzählungen nicht gelangen. Der Verfasser hat die Freiheit, welche man dem philosophischen Romane schon längst zu­gesteht, in Anspruch genommen für eine in Deutschland sehr vernachlässigte Unterart des letztem, für den politischen Roman: er benutzt die Einkleidung nur als Verkleidung, aus dem heraus er, der Verfasser selbst, dem Leser die Lehren seines Lebens vorträgt. Das geschieht mit Aufwendung bescheidener Mittel. Es ist ein bekanntes Bild von Meister Knaus 48 , der preußische Invalide. Streng in der Zeichnung, sparsam in der Farbe, nüchtern in der Composition, sitzt der kleine dürftige Mann da, das Bändchen im Knopfloch ist schier das einzige Bunte, und wie verschossen auch das! Daneben müßte man, von einem Pariser Künstler gemalt, einen französischen Invaliden haben,vierzig Jahrhunderte" von Farbe und Decoration sähen auf ihn herab! So mit den Helden Ziegler's. Aber der Mann nimmt's gewaltig ernsthaft mit seiner Arbeit, es ist ihm nicht ein müßiges Thun der Mußestunden, was er da dem Publikum anbietet, mit seinem Herzbl,ut um die Redensart einmal aufrichtig zu nehmen hat er seine Figuren gefärbt. Das fühlt sich auch überall durch und das mag immerhin ästhetisch als Fehler gelten: überall tritt er, der

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