Heft 
(1987) 44
Seite
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österreichischen und kleindeutschen Staatsmännern vorgeschwebt haben: in preußischen Regierungskreisen begnügte man sich mit Zollverbindungen und gesicherten Heeresstraßen zwischen dem Osten und Westen der' Monarchie. Noch weniger lebte ein solches Verlangen in der Bevölkerung, deren westliche Hälfte ohnehin erst nur äußerlich angegliedert war, während die östliche, und insonderheit die Mark, Allem, was als deutsches Volksbewußtsein auftreten wollte, fremd und mißtrauisch gegenüberstand. Da schritt der Dichter als Säe­mann auf's Feld. In einer langen Reihe sogenannt historischer Romane, die nahe an fünf Jahrhunderte umfaßten, dichtete er eine stetige Entwickelung der Mark Brandenburg in unentwegter Richtung nach einem großen deutschen Berufe hin, dichtete er eine Folge von brandenburgischen, dann preußischen Fürsten, die, sei es im Kampfe mit dem Adel oder den Städten, sei es in kirchlicher Reformation oder sei es endlich bei großen auswärtigen Verwick­lungen in Sieg wie in Niederlage ein unverrückbares Augenmerk gehabt hätten auf die deutsche Vormacht hin. Die künsterische Kritik hatte sicherlich viel gegen diese Arbeiten einzuwenden, welche nach einer meist vortrefflichen Exposition bald ins Breite wucherten, sich in Nebenhandlungen verwickelten, die Personen oft durch Dialoge mehr als durch Handlungen sich erklären ließen und den Dichter schließlich überlasteten, so daß er in hastig gedrängtem Schlüsse sich von seiner Aufgabe losmachte. Auch der Historiker hatte seine begründete Einwendung. Denn wie ängstlich gewissenhaft der Dichter auch in kleinem Beiwerk war der persönlichen Erinnerung drängt sich als Beispiel die ausgelassene Freude auf, die den Dichter überkam, als er, an Isegrimen arbeitend und um des Lokalkolorits willen die Vossische Zeitung aus dem Anfänge dieses Jahrhunderts blätternd, in dieser auf die Anzeige eines Auk­tionskommissars mit Namen Manteuffel stieß. Dem konnte er nun etliche politische Betrachtungen in den Mund legen, die um des Namens willen wie eine Pille für den Namensvetter, den damaligen Ministerpräsidenten wirken sollte: so wenig hat er je unbefangen den Geist der jeweils geschilderten Zeiten erfaßt. Und das war nicht Fehler des Könnens, sondern ein bewußtes Thun, er stellte die Geschichte in den Dienst einer Idee. Man mag deshalb die Bezeichnung als historische Romane anfechten: politische waren sie jeden­falls, die ersten in Deutschland der große Meister Sealsfield war damals noch nicht aufgestanden und die ersten für Deutschland. Und mag die Ästhetik an ihnen mäkeln: eine Konzeption großem Zuges war es doch, welche sich vermaß, die Genealogie eines staatsbildenden Gedankens durch Jahrhun­derte rückwärts in mannigfaltigster Verkörperung zu erkennen oder zu erdichten. Denn welches von Beiden, das konnte erst der Erfolg entscheiden. Mit einiger Einschränkung ist von einem solchen zu reden. Die Mark Branden­burg, wie vortrefflich sie auch in der Landschaftsstimmung und in der knor­rigen Eigenart der auf ihrem Boden erwachsenen Romanfiguren geschildert war, ließ sich zwar trotz aller Kunst nicht zu einer Wiege des nationalen Gedankens umschaffen; um so besser schlug der Versuch an, die preußische Regierungspolitik als eine seit Jahrhunderten dem Ziele deutscher Führer­schaft zustrebende darzustellen. Auf dem Wege, auf dem damals die öffent­liche Meinung hergestellt wurde, durch Lesezirkel und Leihbibliotheken, ver­breitete sich der neue Glauben in den Kreisen der Bildung, auch der politisch indifferenten, und der unklare Schwung der Redekünste des neuen Königs

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