verstärkte ihn in den vierziger Jahren dermaßen, daß er selbst den Bankrott seiner Hoffnungen am Schlüsse jenes Jahrzehnts überstehen und, seinem belletristischen Ursprünge gemäß, unter dem politischen Leihbibliothekspublikum in wechselnder Form in den Programmen der Konstitutionellen 52 , der Gotharer, des Nationalvereins, der Nationalliberalen usw. fortleben konnte. Dieser Sekten Vater ist, wie sie auch die Nase rümpfen mögen, der Roman- schreiber Wilibald Alexis gewesen. Verdankt man ja — und das ist doch gewiß sehr beweiskräftig — auch ihm und nicht, wie das Grimm'sche Wörterbuch VIII 362 will, Herrn Bluntschli 63 die Einführung des „Rechnung tragen" in den deutschen Wortschatz!
In diesem Andichter steckte aber auch ein mächtiges Stück Dichter, so recht aus dem heimischen Boden erwachsen. Er befreite die deutsche Literatur von der konventionellen Naturschilderung, er sah und gab Wald und See, Hügel und Ebene, wie sie in der Wirklichkeit da waren, bis zur Protraitirung, er schuf neben den Schablonen des Schönen, Wilden, Erhabenen usw. die Charakterlandschaft, die, indem sie individuell wurde, dadurch auch nothwendig in ein Verhältniß trat zu der Stimmung und zur Natur der Menschen. Er schuf mit der Feder, was zu gleicher Zeit C. F. Lessing's Pinsel 64 uns offenbarte. — Noch bestimmter ist in dieser Richtung dann Franz Ziegler vorgegangen. In den Literaturgeschichten pflegt man ihm nur einen kleinen Raum anzuweisen, denn als er, mit vollem Ungeschick des Anfängers, als Dichter auftrat, war er bereits aus den lyrischen Jahren weit hinaus und sein Drang ging nicht sowohl darauf, ein Schönes zu schaffen oder Idealem Körper zu verleihen, als vielmehr an dem Harten und Häßlichen, das ihm vom Leben angethan worden, Recht zu üben, indem er es vor der Welt aufzeigte. Das Leben war ihm ein äußerlich bewegtes, die Höhen und Tiefen durchmessendes gewesen und innerlich ein reiches und das pulsirte in seinen Erinnerungen und Erzählungen stark und aufregend und die Mängel der Form vergaß man dabei. Dieser Grundzug des Persönlichen und Lokalen war ein durchaus heimatlicher, mit Recht nannte sich Ziegler selbst einen märkischen Dichter und stellte zuerst diese Kategorie auf, indem er sich in die Reihe der Zeitgenossen einordnete, welche nach seiner Schätzung, von W. Alexis an, auf diesen Rang Anspruch zu machen hätten. Die seltsame Mischung von Hitzköpfigem und Hartnäckigem, von Gradheit und Schlauheit, von Unbhängigkeitslust und strammer Zucht, kaltem Mißtrauen gegen Gefühlsregungen und liebevoller Sorge für Thier und Pflanze: das webte in Zieglers Gestalten und in dem Manne selbst nach märkischer Art.
„Führend" sind die beiden Schriftsteller nicht gewesen, eine Schule ist aus ihnen nicht erwachsen. Man pflegt Hesekiel noch in ihrer Gesellschaft zu nennen, aber der einzig dafür aufzutreibende Grund, daß einige seiner Burgund Schloßgeschichten grade auf märkischem Boden sich abspielen, ist dann doch nicht ausreichend. Eher wäre, in genügend weitem Abstande, M. A. Niendorf hier anzureihen, der in seiner Hegermühle sowie in etlichen Prosaerzählungen die Eigenart der Heimath stark ausprägt. Aber es scheint überhaupt, als sei seit den großen geschichtlichen Wendungen in Deutschland der Werth des Kurbrandenburgers auch bei den Poeten etwas gefallen. Die „preußische Mission" war zu einem, wenigstens vorläufigen Abschlüsse gediehen, es galt jetzt auch die innere Annexion zu vollziehen. Dabei konnte das Her-
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