Erinnerungen aus dem Verkehr mit dem Prinzen Friedrich Karl. Durch die lokalen Bezüge, die überall festgehalten werden, bildet das Buch eine Ergänzung zu des Verfassers bekannten liebenswürdigen Wanderungen durch die Mark, es erfreut, wie diese, durch die poetische Stimmung, es legt außerdem Zeugniß ab von der echt vornehmen, d. h. unabhängigen konservativen Gesinnung Fontanes; als ein spezifisch märkisches Bild könnte in dem Buche aber nur das Leben Hertefelds gelten, wenn hier nicht der klevisch-holländische Zug in dieser Familie in Abrechnung gebracht werden müßte. Eher hätte sich provinziale Eigenheit in der Skizze von Wiesike, einem der ältesten und begeistertsten Schopenhauer-Verehrer, herausarbeiten lassen, wenn F. eben Intimeres von ihm zu erzählen gewußt hätte.
Damit wäre nun aber das Bedeutsamste der poetischen Produktion, welche Land und Leute der Mark Brandenburg darstellen will, aufgeführt. Mögen Andere in der zu hohen Ehren und Auflagen gediehenen Frau Wilhelmine „Buchholtzen" das wohlgelungene Porträt einer Berliner Bürgersfrau entdecken: uns hat aus dieser durch immer neue Abdrücke immer mehr verwaschenen Figur immer nur das Bild der stumpfesten Trivialität heraustreten wollen, die man, wäre sie überhaupt des Zeichnens werth, in ihrem natürlichen Boden, dem weltentlegensten Ackerstädtchen hätte belassen sollen. Über die in der That recht ernste kulturhistorische Bedeutung solcher „Dichtung" hat ein zweifellos gutgesinnter Kritikus in der „Deutschen Rundschau" vom Juni 1886 einiges gar Lesenswerthe gesagt, zu dem als Schluß nur die Notiz fehlt, daß der einzig lebende Dichter, der unseres Wissens sich des Fürsten Bismarck lebhaften Beifall errungen hat, Herr Stinde mit eben seiner Buchholtzen ist. Neueskens hat man versucht, dem Kurbrandenburgerthum auch auf der Bühne wieder zu neuem Leben zu verhelfen: in den Quitzows des Herrn v. Wildenbruch 57 . Es ist Sache der Kunstkritik zu würdigen, mit welchen Mitteln das geschah: der Erfolg, soweit er nicht ein speziell Berlinischer war, hat bisher gegen den Versuch entschieden. Und ein nach aller Richtung sehr sachverständiger Mann, bei dem eher eine Befangenheit auf Seiten des Für zu ver- muthen wäre, Th. Fontane selbst, hat aus dem Anlaß einen Rath gegeben, der nicht mit der Theaterrecension, der er eingeflochten war, vergessen werden sollte. Er schrieb:
.. . Der Beifall, der gestern laut wurde, so sehr er mich um des Herrn Verfassers und der Schauspieler willen freute, erschreckte mich doch zugleich, weil er der naive Ausdruck eines Lokal- und Provinzial-Dünkels war, neben dem jeder sonstige deutsche Partikularismus verschwindet und der auf die Bewohner anderer deutscher Landestheile, selbst unserer speziell preußischen Provinzen, einen aus Achselzucken und äußerstem Unbehagen gemischten Eindruck machen muß. Ich werde nicht in den Verdacht kommen, unsere Mark zu unterschätzen, in deren Dienst ich so zu sagen ein ganzes Leben lang gestanden habe, aber was zu viel ist, ist zu viel. Es ist nicht möglich, der deutschen Gesammtwelt den Glauben beizubringen, daß es mit Bötzow oder Liebenwalde, mit Zehdenick oder Gransee (beiläufig mir alles sehr liebe Städte) was Besonderes sei, und wenn das mit diesem märkischen Radau- Patriotismus, mit diesem Entzücktsein über jeden Wedding- oder Voigtlandjargon sprechenden großmäuligen und unverschämten Berliner so fort geht, so sind wir ernsthaft in Gefahr, unsere durch unsere Siege (die wenigstens in
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