oder vaterländischen Dichters vom literarischen Parteigänger der Konservativen besaß, da die Toten ruhen, ebenso wie die Entschuldigung seiner politischen Zweideutigkeit eine vitale Bedeutung nicht zuletzt für das Charakterbild, das Theodor Fontane selber der Öffentlichkeit darbot. 19 Für die Preußenlieder der „Männer und Helden" hatte er eine Rechtfertigung allerdings nicht nötig. Sie begründeten seine erste Popularität und wurden volkstümlich, wozu ihre Aufnahme in Anthologien und Lesebücher nicht wenig beitrug. Noch ehe 1850 die Separatausgabe des Zyklus erschien, standen „Der Alte Dessauer" und „Der Alte Derfling" in den „Schönen Neuen Lieder(n) zu singen überall im Preußenlande zumal in Heer und Landwehr" von 1849. 20 Fünf der acht Stücke gingen in das „Militairische Dichter-Album" G. M. Klet- kes von 1853 ein, das auch auf Gedichte anderer „TunneT'-Mitglieder zurückgreift. Am aufschlußreichsten ist jedoch der Umstand, daß „Der Alte Dessauer", „Keith" und „Seidlitz" 1851 in eine Anthologie Aufnahme fanden, die unter dem Titel „Preußens Ehrenspiegel. Eine Sammlung preußisch-vaterländischer Gedichte von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1840" von Adolf Müller und Hermann Kletke herausgegeben wurde (der dann in den siebziger Jahren Chefredakteur der „Vossischen Zeitung" und ihres Theaterreferenten Fontane war).
Denn Fontane erscheint hier — um nur von den Zeitgenossen einige zu nennen — in Gemeinschaft mit Uhland und Freiligrath auf der einen Seite, mit Kopisch und Hesekiel auf der anderen, je nachdem die geschichtsillustrierende Anordnung es verlangt. Daraufhin die Herausgeber der Indifferenz zu verdächtigen, wäre ganz verfehlt. Sie verfügen im Gegenteil über ein ausgebildetes Konzept von Preußens deutscher Berufung und seiner weltgeschichtlichen, durch die „Vorsehung" 21 ihm übertragenen Aufgabe in Vergangenheit und Zukunft; bloß daß sie den „Erbfeind" 22 statt in Paris in Rom suchen. „Darum halten wir nun treu und fest am Glauben, treu und fest an unserm Fürstenhause und unsrer Volksthümlichkeit; was muß geschehen, das wird geschehen, wie auch der Geist der Welt sich dagegen empören mag." 23 Das nationalpolitische Bestreben, unter diesem Zeichen eine Vereinigung der Kräfte vorzunehmen, die den Mitarbeiter der „Neuen Rheinischen Zeitung", wo er sich loyal gezeigt hat, mit dem Kartätschenprinzen von Rastatt zusammenbringt (dem späteren König und Kaiser Wilhelm I., dem das Buch gewidmet ist), verleugnet sich ebenso wenig wie die konterrevolutionäre und undemokratische Funktion, die es ausübt.
Seit den antinapoleonischen Kriegen nehmen die Kategorien des Vaterlands und des Vaterländischen politisch und literarisch in großem Stile die Gegensätze von Partikularstaat und Nationalstaat, Absolutismus und Demokratisierung, zuletzt von Revolution und Konterrevolution in sich auf. Eine im Sinne des preußischen Patriotismus vaterländische Dichtung geriet deswegen gewollt oder ungewollt unweigerlich in dieses Spannungsfeld, wo sich die umstrittene Hegemonialstellung Preußens immer mehr zum Hauptkräftepol entwickelte. Die Urteilsbildung darüber wird von einem Wortgebrauch nicht erleichert, der oftmals nur durch den Kontext zu erkennen gibt, ob das „größere", „gemeinsame", deutsche Vaterland oder das einzelstaatliche Gebilde gemeint ist, das seine eigenen, manchmal buchstäblich angestammten Rechte auf die hochgradig wertbesetzte und wertsetzende Bezeichnung zur Geltung bringt. 24
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