Heft 
(1987) 44
Seite
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Die Folgen waren einschneidend. Fontane geriet durch die .Wanderungen', aus denen gleich, nachdem der erste Band erschienen war, bei Hofe vorgelesen wurde, und durch seine Stellung bei der Kreuzzeitung in einen Legitimierungs­konflikt ähnlich dem, den er an Scherenberg beschreibt. Man erzähle sich, teilt er seinem Verleger Wilhelm Hertz mit, erhätte das Buch im Aufträge der Kreuz-Ztngs.-Partei geschrieben", ein Verdacht, den er mit dem Ausruf Blödsinn" 31 quittieren, aber nicht zum Verstummen bringen konnte. Hesekiel hatte dem Argwohn Vorschub geleistet, als er in den Kreuzzeitung behauptete: In echt patriotisch-konservativem Sinn sammelt Fontane in seinem Werk der Väter und Vorväter Ehren, große und kleine, er stellt sie ins rechte Licht, patriotischen Sinn in den Kindern, den Lesern überhaupt weckend, belebend, stärkend." 32 Als 1863 mitOderland" der zweite Band herauskam, wurde die Kontroverse in Adolf Stahrs notdürftig bemäntelten Vorwurf notorisch:Auch ist das Buch, wenn auch von einem gewissen Parteistandpunkt ausgegangen und mit entsprechendem Kolorit vielfach gefärbt, doch keine eigentliche Tendenzschrift zu nennen." 33 Eine wohlwollende Besprechung durch Ernst Kossak sah die Sache von der anderen Seite an:Es ist nicht eben ein erfreu­liches Zeichen der Zeit, wenn einem vaterländisch-historischen Schriftsteller das lobende Zeugnis auf den Weg mitgegeben werden muß, allen Parteigehässig­keiten fern geblieben und lesbar für alle Fraktionen zu sein." /,r! Aber ist der Sachverhalt, von dem sie sprechen, nicht beidemale defselbe? Im Unterschied zu jüngeren Darstellungen, die sich lieber an Fontanes Distanz- und Selbstän­digkeitserklärungen dem Adel gegenüber halten, hat er daraus auch kein Hehl gemacht Man kann den betreffenden Passus aus dem Dank- und Rechtferti­gungsschreiben, das er an Kossak richtete, nicht gut weglassen, ohne einen Schlüssel zu seinem damaligen schriftstellerischen Verhalten aus der Hand zu geben. 35 Bevor er dazu übergeht, die Dominanz des Adels in seinem Buch aus dessen Anteil an der Geschichte zu erklären, versichert er:Ich schreibe diese Bücher aus reiner Liebe zur Scholle, aus dem Gefühl, und dem Bewußtsein (die mir beide in der Fremde gekommen sind) daß in dieser Liebe unsere allerbesten Kräfte wurzeln. Keime eines ächten Conservatismus. Daß uns der Conservatismus, den ich im Sinn habe, noth thut, ist meine feste Ueberzeu- gung. Speziell unsrer guten Stadt Berlin ist die Vorstellung abhanden gekom­men, daß Beschränkung, Disciplin^ das freimütige Bekenntnis des Nichtwis­sens (...) auch Tugenden sind (.. .J" 36 Analoge Äußerungen in anderen Zusam­menhängen bekräftigen diese Grundüberzeugung, die ihn in den Jahren des preußischen Heeres- und Verfassungkonflikts, als vielen das Land auf eine zweite Revolution zuzugehen schien, an die Seite der Kreuzzeitungsleute und der Monarchie versetzte. Auch politisch-praktisch hat er sich dort aufgehalten und betätigt; von einem Gegensatz zwischen Denken und Handeln war keine Rede mehr.

Hier kommt es nicht darauf an, daß diese Parteinahme ihre Grenzen und Besonderheiten hatte und daß sie die Beschaffenheit und Bedeutung der Wanderungen durch die Mark Brandenburg" zwar mitbedingt, aber nicht erschöpft. Vielmehr ist festzuhalten, daß der Fontane der Kreuzzeitungszeit zu seiner eigenen Reinigung vom Odium des konservativen, wenn nicht reak­tionären Parteischriftstellers mehr Grund als Gelegenheit gab. Er hat dieses Jahrzehnt als seine glücklichste Lebenszeit betrachtet, aber tunlich im Dunkeln

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