All diese Erfahrungen werden mitzudenken sein, wenn sich Fontane noch in der zweiten, 1891 publizierten Fassung seines Aufsatzes „Die gesellschaftliche Lage der Schriftsteller" über den „Tintensklave(n)" und über die „Schriftsteller-Aristokratie" vernehmen läßt und sich gegen die Diskriminierung der Schriftsteller als „catiliniarische Existenzen" wendet — einen Ausdruck Bismarcks, der ihn offenbar empfindlich verletzt hat, denn er kommt bei anderen Gelegenheit wiederholt darauf zurück. Auch der Vorschlag einer staatlichen „Approbation" 55 , die das öffentliche Ansehen der Schriftsteller heben und wohl auch in materieller Hinsicht ihre Lage bessern sollte, verliert manches von seiner Befremdlichkeit, wenn man ihn auf die Bedeutung zurückführt, die Fontane in seiner Rolle als vaterländischer Schriftsteller der Anerkennung und Unterstützung durch die Staatsspitze beigemessen hat.
In seinem Selbstwertbewußtsein und seinen gesellschaftlichen Statusansprüchen war er durch die Position, die er sich anfangs der sechziger Jahre erworben hatte, zufriedengestellt. „Das ist zwar wahr", erklärte er'seiner Frau, „daß ich mehr mit Adel als Bürgertum in Berührung bin, aber das ist teils eine Folge meines Metiers (Poet und .Wanderungen'-Schreiber), teils eine Folge meiner politischen Richtung. Poeten und Künstler haben zu allen Zeiten fast ausschließlich Verkehr mit Fürsten, Adel und Patriziat gehabt; es ist ja auch ganz natürlich. Heutzutage freilich, wo der Bürgerstand (im weitesten Sinne) eine hervorragende Bedeutung hat und zum Teil gerade der Träger all der Vorzüge ist, die sonst dem Adel und der Geistlichkeit eigen waren, braucht es nicht mehr so zu sein, wer aber im Lager der .Feudalen' ficht, der muß sich noch mit den alten Elementen behelfen." 56
Mit seiner politisch-sozialen Orientierung auf die „alten Elemente" der preußischen Gesellschaft ging eine Reaktivierung älterer Vorstellungen vom literarischen Autor einher, die auf einem anderen Blatt standen als die vertraglichen Vereinbarungen über sein Anstellungsverhältnis bei der Kreuzzeitung und über den Verlag der „Wanderungen" durch Wilhelm Hertz. Sie liefen auf eine schriftstellerische Existenz hinaus, die gerade nicht auf den Beziehungen zwischen Ware und Geld beruhte, sondern auf der unmittelbaren, freiwillig gewährten Anerkennung von Person und Leistung; Fontanes Scherenberg kann als ein letztes Beispiel für das Hineinwachsen des armen Poeten in eine solche Existenz betrachtet werden. Fontane selber profitierte praktisch nur in beschränktem Maße von den Beziehungen zu hohen staatlichen Stellen und zum Monarchen, um die er sich bemühte. Im Vergleich zu seiner journalistischen Berufs- und literarischen Erwerbstätigkeit waren sie das untergeordnete Moment, das er aber auf verschiedenste, im einzelnen noch zu untersuchende Weise für die Stabilisierung seiner Lebenslage und die Förderung seiner literarischen Unternehmungen zu nutzen suchte.
Man würde jedoch fehlgehen, wenn man darin nur das Mittel zum Zweck, das heißt zur Verwirklichung der massiven materiellen Interessen währ- nehmen würde, die am Anfang standen, sich mit diesem Teil seines Etablierungskonzeptes verbanden und oftmals stark in den Vordergrund drängten. Ins Gewicht fiel auch das Bestreben, den beruflichen Entfremdungsprozessen zu begegnen und im Element des Patriotischen zwischen dem Autor und dem Volks-, Landes- und Staatsganzen ein Übereinstimmungsverhältnis wieder herzustellen, das durch die modernen Antagonismen ungebrochen wäre. Aller-
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